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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente | 159 schnittenes, dunkles, schmales Kleid, gelegentlich ein gerade geschnittener Mantel. Was macht die moderne junge Frau auf den Zeichnungen? Sehr häufig raucht sie, oft weint sie, sie trägt Koffer, sie tanzt und spricht mit Männern, sehr häufig malt und zeichnet sie, sie trinkt Alkohol, einmal reitet sie auf einem Pferd, sie küsst oder wird geküsst, sie hört Radio, einmal stopft sie Strümpfe, sie läuft, sitzt und liegt, sie schaut sehnsuchtsvoll, lasziv, gelangweilt, müde und verzweifelt. Die Serie beginnt (nach dem Titelblatt) mit dem Blatt mit der Bezeichnung „Klessheimer Sendbote No.2“, datiert mit 11.  Jänner 1927 (Abb. 10).248 Es trägt den Titel „Die Reise“ und berichtet als „Tragisches Trauerspiel in tausend Bildern über- einander und hintereinander“ in drei Etappen von der Reise Kliens von Wien nach Salzburg. Etappe  I: „Wien-Westbahnhof bis Rekawinkel – Verzweiflung“ zeigt eine aus dem Wagonfenster schauende, rauchende junge Frau mit Zeichenblock auf den Knien. Etappe  II: „Rekawinkel–Linz – Betäubungsversuche Kettenrauchen“ zeigt die junge Frau mit fünf Zigaretten zwischen den Fingern und einer zwischen den Lip- pen, und Etappe  III endet in einem halbherzigen Happy-End mit dem Titel „Linz– Salzburg – Reisebekanntschaft oder die letzte Rettung“, in dem sich die junge Frau mit einem (ebenfalls rauchenden) jungen Mann für einen Charleston-Abend in ei- ner Salzburger Bar verabredet. Zusätzlich findet sich auf dem Blatt noch der Text „Selbst-Erkenntnisse der Verzweiflung“, der von einer unglücklichen Liebe Zeugnis gibt, die mit ein Beweggrund für die Abreise nach Salzburg gewesen sein dürfte. Das heißt, es tritt hier eine junge, moderne Frau auf, die sich Freiheiten nimmt wie das öffentliche Rauchen oder Sich-Verabreden mit einem ihr unbekannten Mann und die in ironischer Weise ihr eigenes Liebesleid thematisiert. Modern sind auch die Orte, die dieses Blatt bestimmen: Wie der Bahnhof stellt auch die „Charleston-Bar“, für die die Verabredung getroffen wurde, einen klar besetzten urbanen „Ort der Mo- derne“ dar. 249 Das nächste Blatt ist betitelt mit „Ankunft in Klessheim“ und führt das Narrativ des vorigen Blattes weiter. Das Unglück der jungen Frau ist an einem Höhepunkt an- gelangt, in ironisch-tragischer Darstellung finden sich verschiedene Versionen eines versuchten Suizids. In der Bildsequenz „Der Seele Glühn stillt Mitisgrün“ flößt sich die junge Frau den Inhalt einer Farbtube ein und hinterlässt eine Reihe von (mitis- 248 Ob das „Titelblatt“ die „Nummer 1“ darstellt oder eine darauf folgende erste Nummer verloren gegangen ist, muss offenbleiben. 249 Vgl. Alfred Gottwaldt, Der Bahnhof und Alexa Geisthövel, Das Tanzlokal, in: Alexa Geisthövel/ Habbo Knoch (Hg.), Orte der Moderne. Erfahrungswelten des 19. und 20.  Jahrhunderts, Frankfurt am Main, New York 2005, 17–26 und 141–150. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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