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3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert | 297
als ein aus verdichtetem und um einen Mittelpunkt fixierten Licht gebildeter universaler
Magnet, in dem sich alle Kräfte der schöpferischen Weltwärme vereinen.“374
Zweifellos stellte Wach, indem er Schappeller diesen Text gab, einen Zusammen-
hang her zwischen der von Éliphas Lévi nach Apollonius zitierten Geschichte des
„Stein der Weisen“, der hier als Magnet, in dem sich „alle Kräfte der schöpferischen
Weltwärme“ vereinen, beschrieben wird und Schappellers „Urkraft“ oder „Raum-
kraft“. Für Wach war Schappeller also der mögliche Entdecker des „Steins der Wei-
sen“. Dies macht plausibler, warum sich Wach derart intensiv in die Unternehmun-
gen Schappellers involvieren ließ. Angeblich investierte er sein gesamtes Vermögen
in der Höhe von 50.000 Schilling.375 Sein daraus resultierender finanzieller Ruin war
es auch, der ihn vom ursprünglichen Anhänger zum erbitterten Gegner werden
ließ: 1933 veröffentlichte Aloys Wach eine Publikation, die wohl zu den seltsamsten
schriftlichen Abrechnungen gehört, die jemals publiziert wurden: „Schin, der Herr
der Zahl 22“.
Bevor im Folgenden auf dieses Buch ausführlicher eingegangen wird, soll kurz
der weitere Fortgang des Schicksals der Schappeller‘schen Unternehmen skizziert
werden: Der ausbleibende Erfolg des „Attila-Unternehmens“ brachte massive finan-
zielle Probleme, Pfändungstermine und den Verlust von bisherigen Förderern. Die
Publikation von Wachs Buch 1933 schädigte Schappellers Ruf zusätzlich. Die Unter-
stützung des Prälaten Schöpfer ging Schappeller allerdings nicht verloren. Wie aus
dem vorhandenen Briefwechsel hervorgeht, war es Schöpfer, der Schappeller über-
haupt erst zu den Grabungen veranlasst und ihn zur Weiterführung der Grabun-
gen gedrängt hatte. Die Unterstützung Schöpfers war nicht nur finanzieller, sondern
auch spiritueller Natur, wie der folgende Ratschlag an Schappeller vorführt:
„Sie sollten jede Woche durch einen Pater des Kapuzinerklosters in Ried eine heilige
Messe lesen lassen und hiefür ein Stipendium zahlen […] Die hl. Messen sollen gelesen
werden nach Meinung zu Ehren der hl. Familie, der hl. Theresia vom Kinde Jesu und des
seligen Kapuzinerbruders Konrad von Parzham. Die zwei sind ganz besondere Helfer in
der Not.“376
374 OÖLA, NL Schappeller, Sch. 9, Abschrift Textauszug Éliphas Lévi, Geschichte der Magie, 206. Her-
vorhebung im Original.
375 Vgl. Iglhauser, Genie oder Scharlatan, 51, leider ohne Angabe von Quellen.
376 OÖLA, NL Schappeller, Sch. 9, Schöpfer an Schappeller, 28.11.1930.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463