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| 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche
Diskurse298
Schöpfer dachte nicht ans Aufgeben. Noch am 22.
März 1933, nach dem Erscheinen
von Wachs Buch, teilte er mit, dass es ihm leider nicht gelungen sei, mit einem Mi-
nister in der Sache zusammenzutreffen, dass er aber davon überzeugt sei, die Fort-
führung der Grabungen sei „der beste Weg aus der Not“.377 Schöpfer starb 1936, und
mit ihm Schappellers größter Unterstützer.
Gerüchte rankten sich nun um nationalsozialistisches Interesse an Schappel-
lers Raumkraftplanungen. Schappeller war zweifellos Antisemit und seine Theo-
rien standen von Beginn an im Interesse rechtsgerichteter Esoteriker, eine direkte
Verbindung zu nationalsozialistischen Politikern ist aber nicht klar nachweisbar.378
Aloys Wach formulierte bezüglich der politisch-ideologischen Zugehörigkeit Schap-
pellers wie folgt:
„Dann wieder diskutiert man, warum mit Adolf Hitler keine Verbindung möglich ist. Ja,
heißt es, Schappeller habe lange Zeit Tür an Tür gewohnt mit ihm in einer Münchener
Pension. Aber es war nicht möglich, Kontakt zu kriegen. Im übrigen: Schappeller ist mehr
dafür, daß Österreich für sich bleibt. ‚Das Hakenkreuz ist nichts für uns‘, meint er. ‚Das
wird zugrunde gehen.‘ Weil er nicht dabei ist. Und er sei dafür, daß von Österreich aus die
Fragen gelöst werden, durch ihn, wenn einmal … Und morgen klingt es anders. Da wird
überlegt, ob eigentlich als Schloßwache nicht S.S. verwendet werden soll, denn mit der
Feuerwehr, das ist so eine Sache.“379
Nur noch gelegentlich fanden sich in den nächsten Jahren Meldungen zu Schap-
peller in der österreichischen Presse, wie beispielsweise diese aus dem Jahr 1934, in
der wieder eine „epochale“ neue Erfindung angekündigt wurde:
377 OÖLA, NL Schappeller, Sch. 9, Schöpfer an Schappeller, Innsbruck, 22.3.1933.
378 1930 wird Schappeller beispielsweise in der Zeitschrift „Ariosophie. Zeitschrift für Geistes- und
Wissenschaftsreform. Blätter für ariosophische Lebenskunst, Mystik, Menschenkenntnis und Ras-
senkunde“ in einem Beitrag über „Totgeschwiegene Forscher“ erwähnt. Im selben Heft erschien
ein Beitrag von Schappellers Mitarbeiter, Ingenieur Louis Gföllner, über „Die Erschließung der
dynamischen Technik“. Vgl. Ariosophie, Heft 9/10 (1930), 203 u. 206–207. Verweise auf ein an-
gebliches Treffen Schappellers mit Adolf Hitler bzw. Heinrich Himmler – vgl. Wikipedia, Eintrag
Carl Schappeller; Iglhauser, Genie oder Scharlatan, 51; René Freund, Land der Träumer. Zwischen
Größe und Größenwahn – verkannte Österreicher und ihre Utopien, Wien 1996, 180 – lassen al-
lerdings Belege missen. Sucht man heute im Internet nach Spuren von Schappellers Leben und
Werk, gerät man schnell auf rechte bzw. rechtsesoterische Seiten. Das 1928 veröffentlichte Werk
von Schappellers Ingenieuren Franz Wetzel und Louis Gföllner: „Raumkraft. Ihre Erschließung
und Auswertung durch Karl Schappeller“ findet sich beispielsweise im Kontext von „Vril-Kraft“-
Mythen als 2004 herausgegebener Reprint auf einer rechtsesoterischen Internetseite: Vgl. http://
principality-of-sealand.eu/vril/Raumkraft_print.pdf (2.9.2019).
379 Wach, Schin, der Herr der Zahl 22, 62.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463