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3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert | 299
„Der Schloßherr von Aurolzmünster Karl Schappeller will in den letzten Wochen eine
neue Erfindung gemacht haben, mit der sich augenblicklich die beiden englischen Inge-
nieure Cooper und Davison aus London beschäftigen. Es handelt sich angeblich um eine
epochale Erfindung, mit deren Hilfe es möglich werden wird, alle motorisierten Fahr-
zeuge auf dem Lande, im Wasser und in der Luft unter Einwirkung der Raumkraft außer
Betrieb zu setzen.“380
Carl Schappeller starb 1947, seine Tochter, das Medium „Anschy“, 1955, das Schloss
wurde von Adoptivsohn Josef Schappeller (Oskar Bayer)381 weitergeführt ebenso wie
die Ideen zur Entdeckung der „Raumkraft“. Nach dessen Tod 1960 wurde das Schloss
1962 verkauft, von Schappellers Unternehmungen blieben nur Berichte und Gerüchte.
„Schin, der Herr der Zahl 22“
„Der Nebel schöner Fata morgana überschimmert das Gehirn;
es braucht harter Anstöße, Licht einzulassen.“ 382
1933 veröffentlichte Aloys Wach im Eigenverlag ein Buch, das in seiner Eigentüm-
lichkeit bislang wenig analytische Resonanz fand. „Schin, der Herr der Zahl 22. Die
Wahrheit über Schloß Aurolzmünster“ ist eine autobiographische Abrechnung mit
dem ehemaligen Kompagnon und Hoffnungsträger Carl Schappeller und ein Ma-
nifest Wachs esoterischer Gedankenwelt. Die Kabbala, der Tarot und die Lehren
Éliphas Lévis sind der Schlüssel zum Verständnis dieses geheimnisvollen Werks. Be-
reits der Titel des Buches gibt Rätsel auf, führt aber gleichzeitig zu dessen Kern, zum
hebräischen Schin. Angelehnt an kabbalistische Zahlen- bzw. Buchstabenmystik be-
nützte Wach den Buchstaben bzw. die Zahl Schin, um sämtliche Geschehnisse in
Aurolzmünster darum zu gruppieren. Dies beginnt mit dem graphischen Schriftbild
des hebräischen Schin. Laut Wach hat es Übereinstimmung mit dem ersten Plan der
Gräberanlage des Attila, nach der in Aurolzmünster gegraben wurde.
380 Neues Wiener Tagblatt, 8.12.1934 (Zeitungsauschnitt auch in OÖLA, NL Schappeller, Sch. 5)
381 Der Techniker Oskar Bayer war seit 1924 bei Schappeller beschäftigt. Nachdem er von diesem adop-
tiert worden war, trug er den Namen Josef Schappeller. Vgl. Iglhauser, Genie oder Scharlatan, 44.
382 Aloys Wach, Schin, der Herr der Zahl 22. Die Wahrheit über Schloß Aurolzmünster, o.O. 1933, 73.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463