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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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4.4 Nationalsozialismus | 383 „Leider waren die Säle [Anm.: der Pinakothek] in denen Liebermann, Slevogt, Munch, Corinth, die Modernen, hängen, gesperrt. Die Bilder sind wegen einer ‚Neuordnung‘ ab- gehängt. Vor 3 bis 4 Wochen begann diese bestialische kunstfeindliche Welle, die nun in alle deutschen Museen eingedrungen ist. Der Besuch des Hauses der deutschen Kunst war qualvoll: eine derartige Barbarei, einen solchen Tiefstand hat ich doch nicht erwartet. 70  % der Arbeiten ist Kitsch (Partei-Kitsch – Armee-Kitsch – Wald und Wiesen-Kitsch usw. auf dem Niveau der ‚Leipziger Illustrierten‘) 30  % ist anständige aber unendlich zahme Kunst […] Das Publikum schien hoch befriedigt zu sein. SA und SS Leute mit ihren Ehrendol- chen spazierten stolz herum. Überall sah man sein Porträt, mir wurde übel und schlecht. [...] Die richtige Tortur kam aber erst: der Besuch der Ausstellung ‚Entartete Kunst‘. Men- schengedränge vor den Eingangstüren, freier Eintritt, aber man muß sich anstellen, so viele Schaulustige sind da, die Leute lachen schon und sind strahlend vergnügt bevor sie drinnen sind! Auf den ersten Blick sah ich schöne Noldes, (das Abendmahl!) Beckmanns usw. Ich fand wunderbare Sachen, Bilder die ich schon seit langer Zeit sehen wollte! […] Von Nolde ist fast das ganze Werk da, schöne Kokoschkas ‚Die Freunde‘, ‚Monte Carlo‘, ‚Gebirgslandschaft‘, die ‚Herzogin von Montesquieu‘ eine herrliche Jugendarbeit ‚der Krieg‘ von Dix usw. Die Bilder hängen sehr eng beisammen überall sind Schmähtexte, aber trotzdem ist das stark-farbige Gesamtbild der Seele noch schön! Im letzten Raum […] eine Wand voll wunderbarer Corinth-Bilder! ‚Das Trojanische Pferd‘, ‚Walchensee- Landschaften‘ und in der Mitte das riesige ‚Ecce Homo‘-Bild: Christus wird von Pilatus und einem Feldhauptmann (Corinth-Selbstporträt!) vorgeführt; davor die deutschen Spießer stehend, sich empörend. Das war schon geradezu höllisch, kaum mehr erträglich! […] Im Gedränge vor dem Corinthbild sah ich einen jungen Mann, dem ich ansah, daß er ebenso litt wie ich. Ich sagte ihm ein heiseres ‚Schön!!‘ Er antwortete: ‚Wunderschön‘ […] Wie Sie sicher schon von anderer Seite erfahren haben ist kein Kubinblatt angeprangert.“225 Eröffnet wurde die „Große Deutsche Kunstausstellung“ 1937 mit einer paradigma- tischen kunstpolitischen Rede Adolf Hitlers. Adolf Ziegler eröffnete in seiner Funk- tion als Reichsleiter für die bildenden Künste der Reichskulturkammer die Ausstel- lung „Entartete Kunst“.226 Das System der Reichskulturkammer, unter Führung von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, sorgte für die umfassende Kontrolle von Kunst und KünstlerInnen. Um künstlerisch tätig zu sein, war eine Mitglied- 225 Hans Fronius an AK, 6.8.1937, zit. nach Alfred Kubin/Hans Fronius, Eine Künstlerfreundschaft. Briefwechsel. Hg. von Landesgalerie Linz, Weitra, Linz 1999, 131  f. Zu fast allen der im Brief ge- nannten Werke gibt es mittlerweile ausführliche Forschung, die ihre oft verschlungenen weiteren Wege nachzeichnet, vgl. dazu Uwe Fleckner (Hg.), Das verfemte Meisterwerk. Schicksalswege mo- derner Kunst im „Dritten Reich“, Berlin 2009. 226 Beide Reden sind abgedruckt in Schuster/Arndt, Nationalsozialismus und „Entartete Kunst“. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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