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4.4 Nationalsozialismus | 389
seines in Österreich liegenden Wohn-
sitzes erfolgte, seiner „nicht-arischen
Heirat“ zu. Tatsächlich ist nicht von
der Hand zu weisen, dass die „nicht-
arische“ Verheiratung zumindest mit
ein Grund war für die Probleme, die
sich 1936 mit Kubins Mitgliedschaft
in der Reichskulturkammer ergeben
haben.
Als österreichischer Künstler, des-
sen berufliches Leben auf Ausstellun-
gen und Aufträgen vor allem aus und
in Deutschland basierte, hatte sich Ku-
bin schon nach der Machtergreifung
in Deutschland um die Mitgliedschaft
in der Reichskulturkammer bewor-
ben und diese auch bekommen. 1936
kam es aber zu Problemen, als er einen
Antrag auf Eintragung im Reichsver-
band der deutschen Presse stellte. Der
Verband verlangte von seinen „nicht-
arisch verheirateten“ Mitgliedern den
Nachweis, dass die Eheschließung vor
der Verkündung des Schriftleiterge-
setzes von 1933 geschlossen worden
war. Diesen Nachweis musste auch Kubin erbringen, ebenso wurde sein Ariernach-
weis zur Dokumentation verlangt. Per Schreiben vom 21. April 1936 wurde sein
Antrag auf Eintragung in die Berufsliste schließlich abgelehnt, unter Berufung auf
§ 5, Abs. 1 und 3 des Schriftleitergesetzes.239 Absatz 1 bezog sich auf den Wohnsitz,
der innerhalb des „Deutschen Reichs“ liegen musste, und Absatz 3 legte fest, dass
Schriftleiter nur Personen mit Nachweis über „arische“ Herkunft sein und zudem
nicht mit „nichtarischen“ Personen verheiratet sein durften.240 Kubin urgierte diese
Entscheidung bei der Reichskulturkammer, deren Mitglied er zu diesem Zeitpunkt
noch war. Das Ergebnis war fatal, es wurde ihm mitgeteilt, dass auch seine Aus-
239 Kubin-Archiv, Persönliche Dokumente-Nationalsozialismus, Reichsverband der deutschen Presse
an AK, Berlin 19.2.1936.
240 Schriftleitergesetz 4.10.1933, RGBl. I Nr. 111, 713 f.
Abb. 32: Reichskulturkammerausweis Alfred Kubin.
Mit Mitgliedsnr. 8261 war Kubin bereits vor 1936
Mitglied, wurde dann ausgeschlossen und erhielt
die Mitgliedschaft (unter derselben Nummer) nach
dem „Anschluss“ Österreichs wieder.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463