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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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| 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus394 Unmittelbar nach dem „Anschluss“ interessierte sich die örtliche Gestapo für Kubin. Der Gendarmerieposten Wernstein wurde von der Gestapostelle Wels (im Auftrag der Gestapo Linz) beauftragt zu untersuchen, ob Kubin „Angehöriger des Anarchosyndikalistischen Kulturbolschewismus“ gewesen sei.256 Ob eine Denunzi- ation der Anlass zu dieser Nachfrage war, ist unklar. Der Bericht kam jedenfalls zum Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass Kubins „sich aktiv am An- archosyndikalistischen Kulturbolschewismus“ beteiligt habe.257 Dem Wernsteiner Postenkommandanten war es aber offenbar ein großes Bedürfnis, möglichst viele Gerüchte über den ansässigen Künstler weiterzugeben. Er berichtete ausführlich von den Kontakten und Freundschaften, die der Künstler pflege, von wem er Post erhalte, sogar angebliche Streitigkeiten zwischen Kubin und seiner Frau zum Thema Nationalsozialismus, die sich im Haus abgespielt hätten, wurden kolportiert. Nicht zuletzt deswegen ist wohl davon auszugehen, dass jemand in Kubins Umfeld in den Vorgang eingebunden war.258 Von weiteren Erhebungen oder Aktivitäten der Ge- stapo gegenüber Kubin ist nichts bekannt. Weder in der Korrespondenz noch in der Autobiographie findet sich eine Erwähnung des Vorfalls. Wie bereits argumentiert, war die Eingebundenheit Kubins in lokalen Netzwer- ken, vor allem in der Innviertler Künstlergilde, in solchen Situationen von Nutzen. Besonders die gute Beziehung zum Vorsitzenden der Innviertler Künstlergilde, Ernst August von Mandelsloh, der seinen berühmten Gildenkollegen Kubin hoch schätzte, gleichzeitig aber überzeugter Nationalsozialist und Vorsitzender der Reichskammer für bildende Künste Oberdonau war, war für Kubin zweifellos vorteilhaft.259 Im Gegensatz zu den Schwierigkeiten mit der deutschen Kunstpolitik nach 1933, kam es nach dem „Anschluss“ 1938 zu keinen größeren Problemen für Kubin. Si- cher fühlen konnte er sich (wie viele andere KünstlerInnen) aber nie. Im Sommer 256 Vgl. Kubin-Archiv, Persönliche Dokumente-Nationalsozialismus, Dr. Mildner [Gestapo Linz] Linz 30.3.38 an Gestapo Außendienststelle Wels. 257 Vgl. Kubin-Archiv, Persönliche Dokumente-Nationalsozialismus, Dr. Mildner [Gestapo Linz] Linz 30.3.38 an Gestapo Außendienststelle Wels. 258 Umgekehrt stellt sich aber auch die interessante Frage, weshalb sich dieses ausschließlich für die involvierten Dienststellen abgefasste Dokument heute im Kubin-Archiv befindet und damit ehe- mals in Kubins Besitz. Helga Mitterbauer zieht daraus den wohl richtigen Schluss, dass Kubin als bedeutender Bürger des kleinen Ortes Wernstein von diesem Vorgang zweifellos erfahren hat. Die Vermutung, der Gendarmeriekommandant habe Kubin möglicherweise eingeweiht und ihm Ein- sicht in das Schreiben gewährt, teile ich aber nicht. Vgl. Helga Mitterbauer, Unruhe um einen Abseitigen. Alfred Kubin und der Nationalsozialismus, in: Theodor Kramer Gesellschaft (Hg.), Li- teratur der „Inneren Emigration“ aus Österreich. Zwischenwelt 6, Wien 1998, 337–355, 344  f. 259 Vgl. Kubin-Archiv, Korrespondenz Mandelsloh-Kubin, tw. veröffentlicht in Gregor Martin Lech- ner (Hg.), Ernst August Freiherr von Mandelsloh 1886–1962, Göttweig 1978. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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