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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? | 423 bedingte Entscheidungen ging. Dass in der autobiographischen Selbstsicht entgegen vieler konkreter Handlungen an einer „unpolitischen“ Selbstwahrnehmung festge- halten wurde, kann somit lediglich über die nachhaltigen Stereotype und kollektiven Identitätsnarrative erklärt werden. Aller unpolitischer Selbstwahrnehmung zum Trotz waren sämtliche in dieser Studie dargestellten KünstlerInnen in ihren Lebenswegen und künstlerischen Ent- faltungsmöglichkeiten massiv von den politischen Verwerfungen des 20.  Jahrhun- derts betroffen. Diese Generation erlebte den Ersten Weltkrieg als einschneidende Zäsur, der die „Welt von gestern“ im Sinne eines Stefan Zweig zu einem gewaltvollen Ende brachte. Die anfängliche Kriegseuphorie, die 1914 auch viele KünstlerInnen erfasst hatte, konnte bei keinem/keiner der KünstlerInnen dieser Studie nachgewie- sen werden. Am intensivsten vom Krieg betroffen war Oskar Kokoschka, dessen Verwundungen physischer und psychischer Natur sein Leben für lange Zeit prägten. Die Revolutionsstimmung der Jahre 1918 und 1919 übertrug sich stark auf Künst- lerinnen und Künstler, die sowohl in Deutschland wie auch Österreich eine starke Politisierung erfuhren. Auch Oskar Kokoschka und Aloys Wach betraten im Zuge der deutschen Revolution nach 1918 politisches Terrain, Wach durch seine Rolle als Künstler der Münchner Rätebewegung und Kokoschka als Verfasser eines umstrit- tenen Pamphlets zur Rolle des Künstlers im Kontext der deutschen Revolution. Die 1920er-Jahre waren politisch wie wirtschaftlich eine schwierige Zeit für Kunstschaf- fende. Dass Kunst und Politik einander per se ausschließen müssten, wurde von vielen KünstlerInnen nicht mehr so gesehen. Entgegen mancher Einschätzungen, die österreichische Kunst der Zwischenkriegszeit sei völlig harmlos und unpolitisch gewesen, kann auch für Österreich auf eine Zahl politisch aktiver und sozialkriti- scher KünstlerInnen hingewiesen werden, die vor allem im Umfeld der sozialdemo- kratischen Kulturbewegung – Stichwort Rotes Wien – zu finden waren. Die in die- ser Studie untersuchten KünstlerInnen hatten daran kaum Anteil. Erika Giovanna Klien war zu jener Zeit eine der wenigen österreichischen KünstlerInnen, die der Avantgarde zuzurechnen ist. Als solche beschäftigte sie sich auch verstärkt mit so- zialen Themen und zeitgenössischen Fragen. Dezidiert politische Sujets sind in ih- rem Werk wenige bekannt, umso eindrucksvoller ist ihr 1930 angefertigtes Aquarell „Straßenkampf“, das bildhaft die Atmosphäre politischer Gewalt der Ersten Repu- blik wiedergibt. Die Ausschaltung der Demokratie durch die Kanzlerdiktatur 1933/34 war der nächste politische Einschnitt, der nach dem Bruch von 1918 Einfluss auf die Künst- lerInnen nahm. Die Kulturpolitik des „Ständestaats“, treffend als „reaktionäre Mo- derne“ bezeichnet, zeigte sich in vielen Belangen ambivalent. KünstlerInnen, die in der Ersten Republik politisch auf Seite der SozialdemokratInnen oder Kommunis- Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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