Page - 45 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

II. NATIONALSOZIALISMUS UND POSTNAZISTISCHE RESTAURATION In diesem Kapitel1 behandle ich zum einen den Prozess der Restauration des völkischen Korporationswesens in Österreich in der Nachkriegszeit ( 1945 bis circa 1955 ). Besondere Berücksichtigung finden dabei akademische Burschenschaften in Wien. Zum anderen widme ich mich der diesen Prozess prägenden und an seinem Verlauf ablesbaren Ver- arbeitung der nationalsozialistischen Erfahrung durch die völkischen Verbindungen. Als notwendiger Hintergrund beider Erzählungen wird zunächst in gebotener Kürze das Verhalten der Korporationen und ihrer Mitglieder gegenüber dem Nationalsozia- lismus ( als Bewegung wie auch an der Macht ) thematisiert. Da dieses nicht im enge- ren Sinn Gegenstand der Arbeit ist und die Zwischenkriegs- und Kriegsjahre nicht zu deren eigentlichem Untersuchungszeitraum zählen , leiste ich diesen Überblick unter Rückgriff auf die relevante Sekundärliteratur. Für die Verortung des Burschenschafts- wesens im breiteren ideen- und organisationsgeschichtlichen Kontext der deutsch- völkischen Bewegung verweise ich auf die einschlägigen Standardwerke.2 II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus Dass zahlreiche hochrangige österreichische Nationalsozialisten ihre politische Sozia- lisation ( auch ) in ‚nationalen‘ Verbindungen erfahren hatten , kann als bekannt vor- ausgesetzt werden.3 Wenngleich diese Beobachtung auf den Umstand verweist , dass eine relevante Zahl völkischer Verbindungsstudenten das nationalsozialistische Pro- 1 Die Abschnitte 1 bis 4 des Kapitels stellen eine überarbeitete und erweiterte Version eines im Frühjahr 2011 in der Zeitschrift zeitgeschichte erschienenen Artikels dar ( vgl. Weidinger 2011 ). 2 Vgl. für das wilhelminische Deutschland Puschner 2001 sowie  – unter Einbeziehung auch der Weima- rer Republik  – Breuer 2008 ; für das völkische Vereins- und Parteienwesen in der Habsburger-Monar- chie vgl. Wladika 2005 und Schmid 2009 , wobei Ersterer auch den Studentenverbindungen einige Auf- merksamkeit widmet. 3 Für den Bereich der Burschenschaften seien beispielhaft genannt : der Leiter des Reichssicherheits- hauptamtes Ernst Kaltenbrunner ( Arminia Graz ), der Treblinka-Kommandant und vielfache Eu thanasie- Mörder Irmfried Eberl ( Germania Innsbruck ), der steirische Heimwehr-Putschist und spätere Reichstags- abgeordnete Walter Pfrimer ( Ostmark Graz ), der Finanzminister im ‚Anschlußkabinett‘ Rudolf Neumayer ( Vandalia und Albia Wien ), die Gauleiter Hugo Jury ( Niederdonau , Teutonia Wien ) und Friedrich Rainer ( Salzburg und Kärnten , Ostmark Graz ), der Bereichsstudentenführer Süd-Ost Hubert Freisleben ( Brixia Innsbruck ) oder der Rektor der Universität Wien 1943 bis 1945 , Eduard Pernkopf ( Alemannia Wien ). Für detaillierte Einzelbiographien der meisten dieser sowie weiterer burschenschaftlicher NS-Funktionsträ- ger vgl. das ‚Biographische Lexikon der Deutschen Burschenschaft‘ ( Dvorak 1996–2005 ).