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II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung
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Wenn diese Beispiele auch belegen , dass es unter Burschenschaftern in Österreich
keine einheitliche Form des Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit
gibt , so ist doch unübersehbar , dass der kritisch-selbstreflexive Zugang innerbur-
schenschaftlich nach wie vor einen prekären Stand hat. Ein Beispiel hierfür liefert
der von Arminia Czernowitz und den oberösterreichischen Sektionen von FAV und
VaB organisierte ‚Turmkommers‘ 2007 in Linz. Die eben erwähnte Rede Georg Kof-
lers wurde ursprünglich auf der Website seiner Verbindung veröffentlicht , aber nach
kurzer Zeit wieder von dort entfernt. Im Veranstaltungsbericht der Aula wurde auf
eine Wiedergabe von Koflers Ausführungen verzichtet , während die gänzlich anders
gestrickte , am selben Abend vom FPÖ-Landespolitiker und Liberten Hans Achatz
gehaltene Rede ( „Unsere Eltern waren keine Verbrecher“ ) ausführlich referiert wur-
de.373 Auch wenn es den Anschein hat , dass kritische Stimmen in den letzten Jahren
vermehrt geäußert werden , bleibt Cerwinkas Wunsch , „daß die burschenschaftliche
Geschichtsdarstellung mit klaren und glaubwürdigen Aus- und Absagen einen Bei-
trag leisten könnte zur Entkrampfung des Verhältnisses der Burschenschaft zur üb-
rigen Öffentlichkeit in Österreich mit deren überwiegend negativen [ sic ] Urteil über
sie“, auf breiter Basis bis dato unerfüllt.374 Dass Georg Kofler wenige Jahre nach sei-
ner Kommersintervention den Austritt aus seiner Verbindung erklärte , kann insofern
als bezeichnend gelten.
II.5.7 Schlussbetrachtungen
Viele der in diesem Kapitel dargestellten Äußerungsformen von Vergangenheits-
bewältigung waren nach 1945 auch in anderen politischen Milieus als dem burschen-
schaftlichen anzutreffen. Am Fall der Burschenschaften sticht in dieser Perspektive in
erster Linie die Konstanz ihrer Positionen und Argumentationsweisen über den Zeit-
verlauf hervor. „( D )ie Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte – vor allem
der Geschichte der Zwischenkriegszeit und bis 1945
– fehlt im nationalen Lager weit-
gehend. Hier verharrt man in einer Art Festungsposition“, konstatierte der Turner-
schafter Gernot Stimmer 1997.375 Als wichtigste Ursachen dieser Haltung lassen sich
die Schnittmengen von nationalsozialistischer und burschenschaftlicher Ideologie so-
373 Vgl. Aula Nr. 11/2007 , 36. Achatz , der vor seinem Wechsel in die Politik als Richter gewirkt hatte , hatte
dabei das Verbotsgesetz als „Armutszeugnis für die Demokratie“ bezeichnet , welches „den Glauben
[ sic ] an mehr als 60 Jahre zurückliegende Verbrechen“ vorschreibe. Weiters hatte er sich
– offenbar auf
die erfolglosen Versuche von Holocaustleugnern anspielend , Gerichtsverhandlungen zu Propaganda-
veranstaltungen umzufunktionieren
– über „Beweisverbote( )“ bei bestimmten „Prozeßthemen“ empört
( Achatz 2007 , 1 ).
374 Cerwinka 2009 , 110.
375 Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619