Page - 416 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 416 reich sei , so Scheichl , im 21. Jahrhundert in aller Regel politischen Protesten gegen burschenschaftliche Veranstaltungen oder dem parteipolitischen ( und mithin rechts- extremen ) Engagement einzelner Burschenschafter geschuldet.352 Insofern Burschen- schaften bzw. einzelne ihrer Mitglieder nach 1945 jemals über den gesellschaftlichen Teilbereich der Hochschule hinaus politische Relevanz erlangen konnten , verdankten sie diese nahezu exklusiv intermediären Instanzen , in allererster Linie : der Freiheit- lichen Partei Österreichs.353 Dem eben angesprochenen Zusammenhang widmet sich Kapitel V , während der fol- gende Abschnitt IV.3 sich zuvor eines Falles annimmt , in dem Burschenschafter auch unabhängig von der Partei Wahrnehmbarkeit und politische Relevanz erlangen konn- ten : der sogenannten Südtirolfrage. IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik Das burschenschaftliche Engagement um bzw. in Südtirol / Alto Adige354 stellt grundsätz- lich einen Teilaspekt des Themenkomplexes ‚Volkstums- und Grenzlandarbeit‘ dar , ver- dient jedoch aus mehreren Gründen eine gesonderte Behandlung : Zum Ersten aufgrund seines zentralen Stellenwerts für die Burschenschaften in Österreich , anhand dessen die burschenschaftliche Weltsicht fokussiert zutage tritt ; zum Zweiten , weil die Thematik besonders geeignet ist , die Verschränkung von individueller und kollektiver Betätigung , von Aktivitäten unmittelbar politischen und solchen stärker metapolitischen Charakters zu illustrieren , die burschenschaftliche Politik charakterisiert ; zum Dritten übten Bur- schenschaften in Österreich nach 1945 wohl in keiner anderen Frage stärkeren direkten ( also nicht bzw. nicht vorrangig über eine Partei vermittelten ) Einfluss auf die österrei- chische Innen- und Außenpolitik aus. Auch erreichten sie in der Südtirolfrage ein Maß an Übereinstimmung mit der politischen Elite und einer breiteren Öffentlichkeit ( so- wie im Fall der Ersteren auch an Kooperationsbereitschaft ), das ihnen für andere Ker- nanliegen versagt bleiben sollte. Dieser Umstand legt auch eigennützige Motive für das völkische Südtirol-Engagement nahe. Wie Purtscheller für die Österreichische Lands- mannschaft ( ÖLM ) festhält , versprach das Thema „Geld , Publizität und politische Un- terstützung“355 ; nicht zuletzt , so ließe sich ergänzen , verhieß es damit auch Erfolgserleb- nisse , eine gewisse Rekrutierungswirkung und somit einen allgemeinen Aufwärtstrend. 352 Interview vom 8. 6. 2012. 353 Scheichls Einschätzung nach wird eine eigenständige politische Relevanz von den Burschenschaften in Österreich ( mit Ausnahme der „sehr weit rechts“ stehenden Bünde Brixia und Olympia ) heute gar nicht mehr aktiv angestrebt. 354 Vgl. zur Begriffsproblematik Fußnote 10 auf S. 135. 355 Purtscheller 1993 , 50.