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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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nete109 ). Nicht allein in der Sphäre politischer Öffentlichkeit sollte er für burschen-
schaftliche Ziele werben , sondern auch im privaten Bereich. „( J )eder ist ein geselliges
Wesen und hat innerhalb seines Gesellschaftskreises reichlich Gelegenheit , für deut-
sche Art in ihrer österreichischen Prägung einzutreten“, führte Berka 1951 aus.110 „( W )o
immer er zu wirken imstande ist“, habe ein Burschenschafter „im Sinne eines volksbe-
wußten deutschen Ehrenmannes“ zu handeln , stand wiederum 1967 bei den Innsbru-
cker Germanen zu lesen.111 Dieser Anforderung zu entsprechen , bedeutete aus Sicht
der ADC-Bünde anno 1958 etwa , „Vergnügungs- und Ferienreisen“ nach Italien ( Süd-
tirol / Alto Adige ausgenommen ) zu unterlassen , da sie „eines Burschenschafters unwür-
dig“ seien.112 Dieses Beispiel veranschaulicht nicht nur die umfassende Politisierung des
burschenschaftlichen Privatlebens , sondern auch ein trotz aller Bekenntnisse zur Ge-
wissensfreiheit des Einzelnen manifestes Misstrauen in die Fähigkeit der Individuen ,
auch ohne derartige Vorgaben ‚volkstumspolitisch korrekte‘ Entscheidungen zu treffen.
Der burschenschaftliche Anspruch auf über die Studentenzeit hinausreichenden ,
umfassenden Zugriff auf das Individuum reicht
– jedenfalls in manchen Auslegungen
–
bis hinein in die intimsten Sphären menschlichen Lebens und macht somit auch vor
der Fortpflanzung nicht halt. Vor dem Hintergrund einer drohenden Majorisierung der
‚Deutschen‘ innerhalb der „momentan geltenden Grenzen“ Deutschlands und Öster-
reichs hätten die Burschenschafter , so der BG-Sprecher und Olympe Gerhard Schlüs-
selberger 2009 , ihrem „elitären Anspruch mittels Führen durch Vorbild ( zu ) entspre-
chen. Gerade wir sollten dem urburschenschaftlichen Geist , der die Großfamilie immer
hochgehalten hat , sprichwörtlich wieder neues Leben einhauchen.“ Freilich sei es mit
dem Zeugen eines vielköpfigen Nachwuchses nicht getan
– vielmehr müsse dieser „auch
in unserem Sinne erzogen werden“. Den damit verbundenen Herausforderungen gelte
es sich zu stellen. „Das Burschenschaftersein ist nun mal keine Freizeitbeschäftigung ,
sondern eine Lebenseinstellung.“113
III.2.1 Zwischen Geselligkeitsorientierung und Idealismus
Vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Stellenwerts der Burschenschaft in den in-
dividuellen Selbstentwürfen der einzelnen Mitglieder kann nicht verwundern , dass die
109 Nach Darstellung Julia Schmids hatte ‚Deutsch-Sein‘ in dieser Vorstellung sich „in jedem Bereich des
Lebens“ niederzuschlagen , von der Kindererziehung bis hin zum Einkaufsverhalten ( vgl. Schmid 2009 ,
150–152 , Zitat : 151 ).
110 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Berka 1951 , 9 ( vgl. Fußnote 129 auf S. 70 sowie Kapitel II.5.1 ).
111 Germanenmitteilungen , Dezember 1967 , o. S.
112 So der entsprechende Antragstext ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Anlage 1 zur Niederschrift des ord. ADC-Ta-
ges 1958 , 5 ); zu seiner einstimmigen Annahme vgl. die Niederschrift des DBÖ-Tages , 8 f. ( selber Bestand ).
113 Burschenschaftliche Blätter Nr. 3/2009 , 104.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619