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VI. Abschließende Überlegungen
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der Parteikrise von 2002 von vielen gezogene Schlussfolgerung , dass es für die FPÖ
„keinen Regierungsbonus , sondern bloß einen Oppositionsbonus“ gäbe46 , sind dabei
als wichtige Faktoren zu veranschlagen. Ebenso fanden aber seit jeher auch der Rigo-
rismus der Burschenschafter und die von ihnen gepflegte Außenseiteridentität ( bei pa-
radoxerweise gleichzeitig hochgehaltenem Anspruch auf Machtpositionen ) in der frei-
heitlichen Regierungsunlust ihren Niederschlag. Wenn Andreas Mölzer den nach der
Parteispaltung 2005 im BZÖ vereinigten „sogenannten ‚konstruktiven Kräfte( n )‘ “ das
„herkömmliche dritte Lager und die Eliten der historisch gewachsenen FPÖ , insbeson-
dere die ( … ) Burschenschafter , Corpsstudenten et cetera“ gegenüberstellt , so spricht
daraus eine Prioritätensetzung , die unbedingte Grundsatztreue höher wertet als un-
mittelbare Gestaltungsmacht.47
VI.2.3 Fähig und bereit zum Kompromiss?
Die angesprochene Haltung steht mit einer demokratischen Grundanforderung , der
Fähigkeit und Bereitschaft zum Suchen und Schließen von Kompromissen , in offen-
kundigem Konflikt. Ihre Wurzel findet sie , wie bereits ausgeführt , im völkisch-verbin-
dungsstudentischen Idealbild ‚mannhaften‘ Verhaltens. Die Beschwörung von Stand-
haftigkeit als Wert an sich findet in der Mensur und der unbedingten Satisfaktion mit
Waffe ( vgl. dazu Kapitel III.5.4 ) ihren unmittelbarsten Ausdruck. So bejaht Mölzer
das Prinzip der unbedingten Satisfaktion mit dem Argument , dass die ‚Ehre‘ des völ-
kischen Korporierten eines besseren Schutzes bedürfe , als ihn das bürgerliche Recht
gewährleiste – eines Schutzes , der
letztlich in härtester Konsequenz (…) das Einstehen des ganzen Mannes, ohne Möglichkeit
auszuweichen, erfordert. Jene Ehrenordnungen nun, die keine unbedingte Satisfaktion mehr
kennen, nehmen dem Gedanken der Ehrenhaftigkeit eigentlich das Absolute, relativieren ein
Prinzip, welchem [sic] man nur völlig oder gar nicht leben kann.48
Diese Philosophie des Entweder-oder prägt unverkennbar auch das Verhalten von Bur-
schenschafter-Politikern. Standhaftigkeit als Ideal des Nicht-Abweichens von der eige-
nen Position wiederum wird im wortwörtlichsten Sinn in der Mensur eingeübt. Die
grundlegendste Anforderung an den Burschenschafter auf Mensur hat Hans Giebisch
( Alania Wien ) poetisch auf den Punkt und damit das Mensurerlebnis , nach Beurtei-
lung des Teutonen-Chronisten , „zu schönstem Ausdruck gebracht“: „Den Schläger , den
46 Interview mit Frischenschlager vom 11. 12. 2009.
47 Mölzer in der Tageszeitung Die Presse vom 3. 8. 2010.
48 Mölzer 1980 , 84 ( wortgleich in Mölzer 1994b , 148 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619