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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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sicherzustellen , „daß deutscher Boden deutsch bleibt“365 , sollen die auf diesem Bo-
den lebenden Menschen
– wahrgenommen mehr als Behälter von ‚Volkstum‘ denn als
Individuen
– ‚deutsch‘ erhalten , d. h. weitestmöglich vor ‚volks-‘ bzw. ‚kulturfremden‘
Einflüssen bewahrt werden. Die so verstandene ‚Deutscherhaltung‘ der Region glaubt
man bis heute nur durch deren Abtrennung vom italienischen Staat gewährleisten zu
können. Gefordert wurde daher von burschenschaftlicher Seite stets ‚Selbstbestim-
mung‘ statt bloß erweiterter Autonomie ( wie sie von der österreichischen Bundesre-
gierung und den langfristig dominanten Sektoren der Südtiroler Volkspartei/SVP an-
gestrebt wurde ).366 Da das Resultat eines hypothetischen Referendums aus völkischer
Sicht nur in der Korrektur des vermeintlichen historischen Irrtums von 1919 bestehen
konnte , meint Selbstbestimmung in diesem Kontext nicht tatsächlich die autonome ,
ergebnisoffene Entscheidung der lokalen Bevölkerung über ihre staatliche Zugehörig-
keit , sondern dient schlicht als Code für die Loslösung des Landesteils aus dem itali-
enischen Staatsverband. „Das anzustrebende Endziel muß die Rückkehr Südtirols zu
Österreich sein“, hatte der ADC schon 1956 erklärt
– obwohl in der vorangegangenen
Diskussion festgestellt worden war , dass „( d )ie Südtiroler selbst ( … ) für Autonomie
( sind )“.367 Trotz Implementierung einer heute international als modellhaft geltenden
Autonomie regelung halten die Burschenschafter Österreichs nach wie vor ( und unge-
achtet der Stimmungslage vor Ort ) an der Selbstbestimmungsforderung fest.368 Zur
Versöhnung mit dem „italienischen Volk“ [ sic ] sei man „gerne bereit“
– allerdings erst
nach Revision des „Diebstahls ( … ) durch den Vertrag von St. Germain“.369
IV.3.2 Legaler Aktivismus
Sowohl apologetische Darstellungen als auch kritische Literatur zu den Burschenschaf-
ten in Österreich tendieren dazu , deren Südtirol-Engagement auf – hier heroisierte ,
dort skandalisierte – Terrorakte zu reduzieren. Tatsächlich war das Spektrum themen-
einschlägiger Aktivitäten von burschenschaftlicher Seite deutlich breiter gefächert.
365 Alemannia 1962 , 26.
366 Vgl. Schweinberger 2009 , 112 und 119 ; BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 7 ; An-
lage 2/6 zur Niederschrift des ( ord. ) DBÖ-Tages 1961 , 1 ( selber Bestand ); Nachtmann 1985 , 330 ; Su-
cher 2009 , 15. Mit Autonomie vermochte man sich höchstens als Provisorium bzw. als „das Minimum
einer akzeptablen Lösung“ zu arrangieren ( BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Beilage VI zum DBÖ-Rundschrei-
ben Nr.
4 [ Libertas ] vom Dezember 1964 , 1 ; vgl. auch BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Anlage 1 zur Niederschrift
des ord. ADC-Tages 1958 , 5 ).
367 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Südtirol-Entschließung des ADC von 1956 , Beilage zur Niederschrift des
ADC-Tages 1956 bzw. eben jene Niederschrift , 13 f.
368 Vgl. BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1977 , 24 ; Pendl 2009 ,
13.
369 Schweinberger 2009 , 120.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619