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III.5 Wandel und Beharrung
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auch von 1965 nicht mehr viel übrig“ lassen und könnten daher von den Alten Herren
nicht erwartet werden. Blieben diese einschneidenden Reformen aber aus , sei „der Ver-
fall nicht mehr aufzuhalten“. Anno 1968 sah Riesenhuber für die Burschenschaften so-
mit keine Perspektive mehr – außer jener der Weiterexistenz als auf bloße Traditions-
pflege beschränkter „politische( r ) Kaninchenzüchterverein“.406
III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung
Das Thema der Ehrenordnung und hier v. a. der ‚unbedingten Satisfaktion mit Waffe‘
wurde schon im vorangegangenen Abschnitt III.4 als ein Hauptkonfliktfeld der Bur-
schenschaften in Österreich nach 1945 erwähnt. Im Kontext des vorliegenden Abschnit-
tes ist es von Interesse , da anhand seiner – wenn auch teilweise verdeckt – über bur-
schenschaftliche Reformbereitschaft im Allgemeinen verhandelt wurde. Zudem kam
es hier , wie auch in der Frage des DB-Beitritts , über bloße Debatten hinaus zu einer
tatsächlichen Absetzbewegung einiger Bünde von den restlichen , den burschenschaft-
lichen Mainstream in Österreich verkörpernden.
Anders als in Deutschland wurde die unbedingte Satisfaktion in Österreich vom
„größte( n ) Teil der Korporationen“ völkischer Ausrichtung nicht aufgegeben.407 Be-
reits 1951
– so mancher Bund war noch gar nicht rekonstituiert
– brach im Zuge der
Erarbeitung einer Ehrenordnung in Wien ein erster Streit aus.408 Ab 1956 flammten
erneut Debatten auf 409 , spätestens 1957 vertrat Cruxia Leoben hinsichtlich der Hand-
habung von Ehrenangelegenheiten offenbar Positionen , die Hardliner wie Teutonia
Wien „nicht billigen konnten“.410 1958 beschloss der ADC die Einsetzung einer alten
Ehrenordnung – des ‚Ritterlichen Ehrenschutzes‘ von Felix Busson – in geringfügig ad-
aptierter , aber etwa die Möglichkeit von Pistolenduellen beibehaltenden Form als für
alle Mitgliedsbünde verbindlich.411 Bedauern über diesen Schritt bekundeten die Ober-
österreicher Germanen. Bis 1965 , so deren Chronik , sei „auch in anderen Bünden das Un-
behagen über sie [ die Ehrenordnung , Anm. B. W. ] gewachsen“. Ein DBÖ-Seminar zur
Thematik wurde beschlossen , aber nie durchgeführt.412
406 Ebd., 6. Tatsächlich haben die Germanen seither den Aktivbetrieb nicht wieder aufgenommen.
407 Mölzer 1980 , 79 f. Zur tatsächlichen Praxis ihrer Handhabung vgl. den Exkurs zum Duellwesen in die-
sem Unterabschnitt.
408 Vgl. Aldania 1994 , 157 sowie ferner 160.
409 Vgl. die Niederschriften der ADC-Tage 1956 , 5–7 und 1957 , 4–10 ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ]).
410 Teutonia 1968 , 104 f.
411 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ( ord. ) ADC-Tages 1958 , 7 und 18–22. Zu den Adaptionen
vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Anlage 1 zum ADC-Rundschreiben Nr. 5 ( Alemannia ) vom Februar 1959.
Busson , Corpsstudent in Graz und Leoben , hatte sein Werk 1907 vorgelegt ( vgl. Busson 1997 ).
412 Oberösterreicher Germanen 1967 , 163. Zum wachsenden Unbehagen vgl. etwa die kritischen Äußerun-
gen im Zuge einer Debatte des Innsbrucker Delegierten-Convents ( Germanenmitteilungen , Juni 1964 , 8–18 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619