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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Auch Höbelt erwähnt entsprechende Auseinandersetzungen als „allgegenwärtig“, weist
aber gleichzeitig darauf hin , dass es sich dabei bisweilen um Stellvertreterkonflikte han-
deln konnte.121 Auch Grillmayer konstatiert , dass immer wieder „alte Vorurteile“ zwi-
schen konkurrierenden ideologischen Gruppen für innerparteiliche Machtkämpfe ins-
trumentalisiert worden seien.122 Die folgenden Ausführungen sind auch im Licht dieser
Einschätzungen zu sehen , wie auch davor zu warnen ist , die gesamte Partei als Summe
zweier sich bekämpfender Flügel zu denken. Christian Allesch zufolge war ein Über-
gangsbereich von Personen mit einer gewissen Offenheit gegenüber beiden hoch ideolo-
gisierten Parteisektoren stets nicht nur vorhanden , sondern auch quantitativ dominant.123
V.3.1 Von der Parteigründung bis zum Innsbrucker Parteitag 1986
Die Frage , ob man sich „( m )ehr , weniger oder gar nicht national , dafür liberal und sozial“
positionieren sollte , beschäftigte bereits den VdU , v. a. im Zuge seiner 1953 einsetzenden
finalen Krise.124 Als Ausgangspunkt seiner Abwicklung und der Gründung der FPÖ be-
nennt die Sekundärliteratur übereinstimmend eine ab diesem Jahr in einem Linzer Gast-
haus verkehrende Männerrunde , die den „nationale( n ) Kern des nationalen Kernlandes
Oberösterreich“ repräsentiert habe – darunter auch völkische Korporierte.125 Auf kol-
lektiver Ebene gefielen die Burschenschaften und anderen „Traditionsverbände des Drit-
ten Lagers“ sich
– Friedrich Peter zufolge
– in der Rolle des „außenstehenden unabhän-
gigen Ratgebers“.126 Willfried Gredler erinnert , dass das Projekt einer parteipolitischen
Neuaufstellung des bürgerlichen Spektrums jenseits der ÖVP diverse „Komitees und
Grüppchen ( … ) wie Pilze aus der Erde“ schießen ließ. Unter jenen , die sich – „jeweils
mit Anspruch auf die Führungsrolle“ – dabei als Personalreserven in Stellung brachten ,
habe sich auch der damalige Obmann des Freiheitlichen Akademikerverbandes ( FAV ) für
Wien , Niederösterreich und das Burgenland , Roland Timmel , befunden.127
121 Im Vorwort zu Grillmayer 2006 , 9.
122 Grillmayer 2006 , 90.
123 Interview vom 13. 11. 2009.
124 Peter 1998 , 140. Eine stärker ‚nationale‘ Ausrichtung wurde allerdings nicht nur von Korporierten-
seite propagiert , wie etwa der Wunsch Emil van Tongels
– einer nicht korporierten Zentralfigur des
Linzer Kreises – nach einer „ ‚nationalen Wiedergeburt‘ des Dritten Lagers“ deutlich macht ( Grill-
mayer 2006 , 85 ).
125 Steininger 2007 , 32 , der sich wie auch Grillmayer ( 2006 , 84 ) hier eng an Piringer ( 1982 , 25 f. ) orientiert.
Letzterer nennt den Grazer Stiren Herbert Kier und den Sängerschafter Alfred Jelinek ( Skalden Inns-
bruck , Nibelungen Linz ) als Repräsentanten der „freiheitlichen Akademiker“ am Linzer Stammtisch
( ebd., 25 ).
126 Peter 1998 , 139 f. Piringer ( 1982 , 25 ) notiert „ehrliche( s ) Bemühen“, aber auch „billige( ) Besserwisserei“.
127 Gredler 1991 , 19. Auch Piringer ( 1982 , 31 ) berichtet von einer „Arbeitsgemeinschaft Dr. Timmel“, die er
„dem rechten Flügel“ der Neuformierungsdebatte zurechnet. Frischenschlager zufolge verfolgte Tim-
mel auch noch in der FPÖ politische Ambitionen , die frühen Größen der Partei seien dem „Hardliner“
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619