Page - 319 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Image of the Page - 319 -
Text of the Page - 319 -
III.8 Burschenschaften und Demokratie
319
als höchstes demokratisches Verbandsgremium aufwerten wollte , wurde 1978 von der BG
abgeblockt.800 1996 zeichnete Olympia im Zuge einer modifizierten Neuauflage dieser
Diskussion maßgeblich dafür verantwortlich , dass die unter demokratischen Gesichts-
punkten problematische Regelung erneut Bestätigung fand.801
III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘?
Neben dem Verweis auf historische Verdienste diente Burschenschaften nach 1945 v. a.
jener auf ihre inneren Strukturen als Hauptbeleg ihres demokratischen Charakters.
Wir haben in den wehrhaften Korporationen wohl allein die wahre Demokratie geschaffen.
Die übrige Welt war es bisher nicht imstande , sie schuf nur Interessentengruppen. Bei uns
gibt es nur Gleiche , nur Akademiker mit gleichen Rechten und Pflichten. ( … ) ( D )a kann
wohl niemand leugnen , daß dies wahre Demokratie sei.802
Die Behauptung , dass ausgerechnet ein per Definition ausschließlich aus akademisch
gebildeten ‚deutschen‘ Männern eines bestimmen ideologischen Spektrums bestehen-
der Verein „wahre Demokratie“ verwirkliche , lässt auf ein eigenwilliges Demokratie-
verständnis schließen. Schiedels zuvor zitierte Charakterisierung der im völkischen
Sinne demokratischen Willensbildung als ‚kollektiver Akt von Identischen‘ findet da-
rin ihren Widerschein ( vgl. Abschnitt III.8.2 ). Waghalsig erscheint jedoch nicht nur
Gärtners Wertung der bundinternen Demokratie , sondern auch seine inhaltliche Dar-
stellung derselben. Schon aufgrund der Trennung der Verbindungsmitglieder in einen
vollberechtigten inneren ( Burschen , Alte Herren ) und einen minderberechtigten äu-
ßeren Kreis oder Verband ( Füchse und Conkneipanten , d. h. regelmäßige Gäste mit
außerordentlichem Mitgliedsstatus ) kann von einer Gemeinschaft von im demokrati-
schen Sinne Gleichen in Burschenschaften nicht die Rede sein. Erst nach erfolgreich
absolvierter Probezeit , Einstandsmensur und Burschenprüfung – und somit erst nach
Erbringung des Beweises hinreichender Kompatibilität – erhalten Füchse „Sitz und
Stimme am Convent“ und dürfen den Kurs der Verbindung mitbestimmen.803 Diese
Praxis sichert offenkundig die erwünschte Homogenität , wird von der DBÖ jedoch an-
ders begründet : Der Ausschluss liefere den Neulingen die Gelegenheit , sich „( v )on jeder
Verantwortung entlastet“ auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten und ihre „Ausbil-
800 Vgl. Schmidt 2000 , 10 f.
801 Vgl. ebd., 46.
802 Alemannia 1962 , 25.
803 AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 5.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619