Page - 528 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Image of the Page - 528 -
Text of the Page - 528 -
V. Burschenschaften und politische Parteien
528
Knittelfelder Parteiaufstand in der ÖVP Zweifel an der Regierungsfähigkeit ihres Ko-
alitionspartners ; dann machte Schüssel durch Neuwahlen im für die Freiheitlichen
ungünstigsten Moment diesen rund die Hälfte ihrer WählerInnen von 1999 abspens-
tig und reaktualisierte damit das freiheitliche Misstrauen in die Pakttreue der ÖVP.308
Exkurs: Sonderfall Steiermark?
Das traditionelle Naheverhältnis zwischen FPÖ und ÖVP in der Steiermark kann in-
sofern als bemerkenswert gelten , als gerade in der steirischen Landeshauptstadt Graz
die Auseinandersetzungen zwischen katholischen und völkischen Verbindungen – aus
denen die beiden Parteien nach 1945 einen Gutteil ihrer Eliten rekrutierten sollten –
um die Jahrhundertwende und in der Zwischenkriegszeit mit besonderer Schärfe aus-
getragen worden waren.309 Für die Erklärung dieses Umstandes sind Entwicklungen in
den 1930er-Jahren ebenso von Relevanz wie solche nach Kriegsende. In ersterer Hin-
sicht wäre die gemeinsame Organisationserfahrung von Vertretern beider Lager etwa
im Landbund und im Steirischen Heimatschutz zu nennen. Dass die steirische ÖVP
nach 1945 überdurchschnittlich stark mit ( deutsch-)‚nationalen‘ Einsprengseln versehen
war , lag an dieser Vergangenheit ebenso wie an ihrem Frischenschlager zufolge über-
durchschnittlichen Erfolg bei der Rekrutierung von ‚Ehemaligen‘ nach dem Krieg.310
Kraus behauptet – aus der freilich nicht uninteressierten Perspektive des VdU-Grün-
ders – , dass in der Steiermark „meist die weiter rechts Stehenden“ unter den früheren
NSDAP-Mitgliedern der ÖVP den Vorzug vor dem VdU gegeben hätten.311 Für die
Alten Herren völkischer Verbindungen gibt Frischenschlager an , dass diese trotz ei-
ner auch opportunistisch motivierten generellen Tendenz zum BSA in der Steiermark
häufiger der ÖVP beigetreten seien.312
Über die Geschichte der Zweiten Republik legten steirische ÖVP-Politiker auf per-
sönlicher wie auf politischer Ebene wiederholt besondere Offenheit gegenüber dem ‚Drit-
ten Lager‘
– einschließlich der Korporationen
– an den Tag.313 So unterhielt Josef Krai-
ner senior , Landeshauptmann von 1948 bis 1971 , nicht nur gute Kontakte zu Alexander
308 Vgl. zu den Verschiebungen von 2002 die WählerInnenstromanalyse in SORA o. J., 5.
309 Vgl. Mölzer 1981 , Hartmann 1985 , Winkler 2011.
310 Interview vom 11. 12. 2009. Zum heftigen Buhlen gerade der steirischen ÖVP um diesen Personenkreis
vgl. Sottopietra/Wirth 2005a , 112.
311 Kraus 1988 , 205.
312 Interview vom 11. 12. 2009.
313 Im Widerspruch dazu berichtet Wolfgang Ebner in der E-Mail vom 3. 12. 2012 von einer „sehr ableh-
nend( en )“ Haltung der ÖVP und v. a. der dort organisierten katholischen Korporierten gegenüber Bur-
schenschaftern , die gerade in Graz historisch verständlich sei.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619