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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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im weitesten Sinne bis hin zu Handgreiflichkeiten. Ihre Höhepunkte fand die Ausein-
andersetzung meist in Zeiten überdurchschnittlich hoher Aktivität und Wahrnehmbar-
keit der Linken im Allgemeinen und ihrer studentischen Anteile im Besonderen. Seit
der Studierendenbewegung von 1968 dienten linke Aktionsformen und Strategien ( oder
was man dafür hielt ) Burschenschaftern wiederholt als Inspiration. Teilweise gab sie auch
den Anstoß zur Überprüfung der eigenen Verortung im politischen Spektrum und/oder
zu verstärkter geistiger und politischer Regsamkeit , die wiederum bisweilen ( vorüber-
gehende ) Modernisierungserscheinungen hervorrief. Stärker noch war allerdings eine Re-
aktionsweise festzustellen , die vielmehr gerade die Nicht-Korrumpierbarkeit durch den
Zeitgeist , die Unabhängigkeit von Moden und den Mut zur Bewahrung auch unpopulä-
rer Positionen als burschenschaftliche Tugenden hervorkehrte.286 Ungeachtet der jewei-
ligen Reaktionsweise läutete das Erstarken der Linken um 1968 zum einen den seither
andauernden Prozess der Marginalisierung des völkischen Korporationswesens ein , stat-
tete Letzteres bzw. seine politisch bewussten Teile aber auch mit einer neuen ( bzw. neu-
entdeckten ) Aufgabe aus , die freilich auch den historischen Wandel der Burschenschaf-
ten von progressiv-gestalterischen zu konservativ-abwehrenden Kräften widerspiegelte.
IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘287
Nur geringe Anteile der in diesem Kapitel als metapolitisch eingestuften Betätigung
von Burschenschaften vollzogen sich in expliziter Anknüpfung an die ‚Nouvelle Droite‘
und ihre deutschen Epigonen , zumal deren Postulate – wie schon erwähnt – bei den
völkischen Korporationen ( aber auch bei anderen rechten bis rechtsextremen Gruppie-
rungen ) in Österreich nur sehr begrenzten Anklang fanden. Die folgende Aufzählung
arbeitet dies anhand zentraler Unterschiede von ‚alter‘ und ‚neuer‘ Rechter heraus , wo-
bei beide im Sinne des Vergleichs zu Idealtypen vereinheitlicht wurden.288
286 Vgl. dazu Kapitel III.6.2.
287 Den folgenden Erörterungen sei eine grundsätzliche Anmerkung zu der – vielfach auch in der kriti-
schen Forschung anzutreffenden – Rede von der ‚Neuen Rechten‘ vorausgeschickt. Wie in diesem Ab-
schnitt u. a. deutlich gemacht werden soll , handelt es sich dabei zu allererst um ein Manöver des politi-
schen Marketings. Belegt wird dies schon allein durch die Tatsache , dass das grundlegende Postulat des
Rechtsextremismus – die Ungleichheit der Menschen – unangetastet bleibt. Die Rede von der ‚Neuen
Rechten‘ trägt daher weniger dem Bedürfnis nach kritischer ( also unterscheidender ) Analyse Rechnung ,
als vielmehr dem Bedürfnis der sich so Bezeichnenden , die „blutbesudelten Jacken älterer Generationen“
gegen eine „aprilfrische( ) Weste“ einzutauschen ( Dieter Stein , Chefredakteur der Jungen Freiheit , zit. n.
Bailer 2004 , 166 ). Die Benennung wird daher von mir nur unter Anführungszeichen verwendet und soll
allein dazu dienen , einen bestimmten strategischen Ansatz ( weniger aber programmatische Innovation )
sichtbar zu machen. Vgl. zur Frage der Neuartigkeit der ‚Neuen Rechten‘ Schiedel 1998 , 227–229.
288 So verweist etwa der erste Punkt der Aufzählung v. a. auf die ‚jungkonservative‘ , der zweite dagegen v. a.
auf die ‚( neo-)nationalrevolutionäre‘ Spielart der ‚Neuen Rechten‘. Pfeiffer verortet die Ursprünge bei-
der Strömungen bereits in der ‚Konservativen Revolution‘ der Zwischenkriegszeit ( bei Arthur Moel-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619