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V. Burschenschaften und politische Parteien
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sondern ausgetauscht. War das FPÖ-Team 2003 mit einer Korporierungsquote von 50
Prozent ( sowie 75 % der AkademikerInnen ) angetreten , wurden schon im Vorfeld der
BZÖ-Gründung ( April 2005 ) sämtliche drei Korporierten aus dem Team entfernt –
zunächst Waneck und Böhmdorfer im Juni 2004 und schließlich Herbert Haupt im
Jänner 2005. Wenngleich Haupt danach noch Funktionen für das BZÖ übernehmen
sollte , lassen diese Personalrochaden sich mit einiger Plausibilität als Vorbereitungs-
handlung für die in völkischen Kreisen weithin als Veruntreuung rezipierte Über-
nahme des freiheitlichen Regierungsteams und des Nationalratsklubs durch Haiders
Neugründung deuten. Offenbar war Haider nicht überzeugt , die Alten Herren für
seinen Bruch mit dem Konzept der Lagerpartei gewinnen zu können. Wie zur Bestä-
tigung dieser Annahme wurde Haupt wenige Monate nach der BZÖ-Gründung von
Gästen des burschenschaftlichen ‚Schiller-Kommerses‘ 2005 ausgebuht und als Ver-
räter beschimpft.38
V.1.2 Die Landesebene
2010 wies der Rechtsextremismusforscher Andreas Peham gegenüber der Tages zeitung
Die Presse , darauf hin , dass die Präsenz von Burschenschaftern in der FPÖ von Lan-
desorganisation zu Landesorganisation variiere. In Wien etwa sei der Anteil nicht
zuletzt aufgrund der spezifischen Sozialstruktur einer Universitätsstadt besonders
hoch.39 An anderer Stelle nennt Peham „insbesondere Wien , Oberösterreich und Stei-
ermark“ als Bundesländer mit einer hohen Zahl an korporierten „Führungskader( n )
in den Landesparteien“.40 Demgegenüber konstatiert Sigurd Scheichl im Interview
von 2012 , dass Alte Herren in den westlichen Bundesländern Tirol und Vorarlberg
für die FPÖ „keine Rolle“ spielten.41 Tatsächlich verzeichnen die Annalen etwa der
Tiroler Landes-FP zwar einzelne Burschenschafter wie Klaus Mahnert ( der außer
im Nationalrat u. a. auch als Landesparteiobmann-Stellvertreter wirkte ), den vorma-
38 Dies berichtet Peham ( 2012 , 7 ) unter Berufung auf den Standard vom 13. 6. 2005 sowie in Übereinstim-
mung mit http://www.news.at/Articles/0548/10/127366/blaues-schmisse-straches-burschenschafter ( Ar-
tikel vom 1. 12. 2005 , ohne Autor/-in ). Der erwähnte ‚Bruch‘ war , wie in Abschnitt V.3.1 noch auszuführen
sein wird , von Haider schon in der FPÖ selbst begonnen worden und bestand in einem Schwenk zum
Rechtspopulismus im in Kapitel I.5 ausgeführten Doppelsinn : Populismus als Stil und Inszenierung so-
wie als relative ideologische Beliebigkeit. Der Stilwandel war in der FPÖ schon von Alexander Götz er-
probt worden und hatte spätestens 1986 mit Haider nachhaltig Einzug gehalten. Den Beliebigkeitskurs
schlug Haider ab etwa Mitte der 1990er-Jahre ein und blieb dabei zwar einem rechten Wertesystem , we-
niger aber althergebrachten völkischen Dogmen verhaftet.
39 http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/607829/Wiener-FPOe_Burschenschafter-dominieren-
Rathausklub?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/index.do ( Artikel vom 5. 11. 2010 , ohne Autor/-in ).
40 Peham 2012 , 8.
41 Interview vom 8. 6. 2012.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619