Page - 436 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 436 eher als konsequente Verwirklichung denn als Pervertierung burschenschaftlicher Ideale dargestellt. IV.3.4 Allgemeine Ableitungen zu ‚Volkstumspolitik‘ und völkischer Ideologie Südtirol / Alto Adige stellt nur eines von mehreren Zielgebieten der ‚volkstums-‘ bzw. ‚grenzlandpolitischen‘ Betätigung der Burschenschaften in Österreich dar , wenn auch jenes , dem nach 1945 die höchste Priorität eingeräumt wurde. Burschenschaftlicher Dar- stellung zufolge gründet dieses Engagement in der Bejahung des Selbstbestimmungs- rechts aller ‚Völker‘.476 Nicht nur in ‚deutschen‘ Siedlungsgebieten , sondern weltweit trete man für Autodetermination und für den Erhalt volkstümlicher Eigenheiten ein. Letzterer setze freilich eine möglichst klare Abgrenzung von Siedlungsgebieten , res- pektive die Hintanhaltung ethnischer ‚Vermischung‘ voraus. Trotz dieses vermeintlich universalistischen Ausgangspunktes erweist sich burschen- schaftliche Ethnopolitik auf konkreter Ebene als ausgesprochen inkonsistent. Was die Burschenschaften Österreichs an einem Ort schärfstens kritisierten , forderten sie an ei- nem anderen vehement ein. Stemmten sie sich in Südtirol / Alto Adige gegen die „sys- tematische Italienisierungspolitik“ der Zentralregierung477 und die von dieser forcierte , „den völkischen Charakter Südtirols ändernde Unterwanderung“478 , machten sie sich gleichzeitig für eine weitere Verschärfung der Germanisierungspolitik in Kärnten/Ko- roška stark und forderten u. a., „deutsche Heimatvertriebene aus der Krain und aus der Südsteiermark“ dorthin umzusiedeln479. In sprachenpolitischer Hinsicht monierten sie im Südtiroler Fall , dass die offiziell geltende Zweisprachigkeit faktisch nur auf Stra- ßenschildern , nicht jedoch im Amtsverkehr existiere. Dass gleichzeitig im südlichs- ten österreichischen Bundesland ( gerade auch ) die Ortstafeln einer staatsvertragskon- formen Beschriftung harrten , wurde von Burschenschaftern über Jahrzehnte vielmehr verteidigt als problematisiert.480 Der zweisprachige Schulunterricht galt ihnen gar als 476 Vgl. etwa die Südtirol-Entschließung des ADC von 1956 , Beilage zur Niederschrift des ADC-Tages 1956 ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ]). 477 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Entwurf einer Resolution betreffend Südtirol , Anlage zum Schreiben Olympias an die ADC-Bünde vom April 1955 ( Teil der Arbeitsunterlagen zum ADC-Tag 1955 ), 2. 478 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Südtirol-Entschließung des ADC von 1956 , Beilage zur Niederschrift des ADC-Tages 1956. 479 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Entwurf einer Resolution betreffend Südkärnten , Anlage zum Schreiben Olym- pias an die ADC-Bünde vom April 1955 ( Teil der Arbeitsunterlagen zum ADC-Tag 1955 ), 1. Beide Re- solutionen wurden vom ADC-Tag mit großer Mehrheit verabschiedet ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Pro- tokoll des ADC-Tages 1955 , 13 ). 480 Vgl. zu Südtirol / Alto Adige BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Entwurf einer Resolution betreffend Südtirol , Anlage zum Schreiben Olympias an die ADC-Bünde vom April 1955 ( Teil der Arbeitsunterlagen zum ADC- Tag 1955 ), 3 ; für den Kärntner Fall vgl. die Ausführungen von Arminia Graz als DBÖ-Vorsitzende am