Page - 164 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Image of the Page - 164 -
Text of the Page - 164 -
III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
164
III.3 Burschenschaftliche Erziehung
Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Erwartungen behandelt , die die Burschen-
schaft an ihre Mitglieder richtet. Mit der burschenschaftlichen Erziehung sollen nun
die mehr oder weniger systematischen Bemühungen der Verbindungen im Fokus ste-
hen , die Internalisierung dieser Erwartungen und ihnen entsprechendes Handeln sei-
tens der Mitglieder sicherzustellen. Dabei ist vorauszuschicken , dass die in studenti-
schen Korporationen vollführten Erziehungsleistungen vielfältigen Charakters sind :
Manche , wie die mehrmals pro Semester abgehaltenen ‚Burschenschaftlichen Abende‘ ,
sind klar als Erziehungs- bzw. Bildungsveranstaltungen ausgeschildert. Andere , wie die
studentischen Bräuche der Mensur oder des Sich-Betrinkens nach vorgegebenen Regeln
( ‚Biercomment‘ ), erziehen auf subtilere Weise , wobei der Erziehungsaspekt im ersteren
Fall häufig offen benannt wird , im zweiteren dagegen die pädagogische Dimension der
Übung zumeist nur den die Regeln vermittelten Erziehern bewusst sein dürfte. Wie-
der andere Handlungen mit Erziehungswirkung können als subliminal , sich gänzlich
außerhalb des den Akteuren Bewussten vollziehend , eingestuft werden. Ihr Schauplatz
ist die alltägliche , durchaus auch private Interaktion der Verbindungsmitglieder , die –
durch normkonformes Verhalten und ( die Tolerierung von ) Sanktionen nichtkonfor-
men Verhaltens
– einander der Gültigkeit und Wichtigkeit burschenschaftlicher Werte
und Ziele versichern. Insbesondere dieser letzte Aspekt wird im vorliegenden Unter-
kapitel nur nachrangig behandelt werden , im Vordergrund stehen die Erziehungsleis-
tungen im engsten , hier erstgenannten Sinn.
Im Folgenden wird zunächst erörtert , worin der verbindungstudentische Erziehungs-
auftrag nach burschenschaftlicher Auffassung überhaupt besteht ( und weshalb ich dem
Begriff der Erziehung hier Vorrang vor jenem der Bildung einräume ). Der daran an-
schließende Abschnitt widmet sich der eben bereits angerissenen Frage , in welchem
Rahmen und auf welche Weisen er umgesetzt wird. Der letzte Teil des Unterkapitels
ist einigen Funktionen und ( mitunter auch nicht-intentionalen ) Konsequenzen bur-
schenschaftlicher Erziehung gewidmet , die meines Erachtens für eine politische Ana-
tomie der Burschenschaften von erheblicher Relevanz sind.
III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag
Bereits in Abschnitt III.1 wurde der selbst gegebene Auftrag der DBÖ erörtert , ihren
Nachwuchs zum ‚Dienst am deutschen Volk‘ , zu politischem Denken , selbständigem
Urteilen u. a. m. zu erziehen. Wie dabei bereits angedeutet , zeichnet das Erziehungspro-
gramm der Burschenschaften ( nicht nur ) in Österreich sich durch einen umfassenden
bzw. ganzheitlichen Anspruch aus. Wie schon die DB 1961 bekundet hatte , sich nicht
weniger als der „geistigen , körperlichen und politischen Ausbildung des jungen Bur-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619