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V. Burschenschaften und politische Parteien
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V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich
Den zahlreichen Beispielen für politisches Engagement von Burschenschaftern und
anderen Korporierten in den Rängen der Freiheitlichen Partei zum Trotz wird von bur-
schenschaftlicher Seite seit jeher die Überparteilichkeit des völkischen Verbindungs-
wesens behauptet : Man bekenne sich zu politischer Erziehung und/oder Betätigung
ohne jede parteipolitische Bindung.64 Bereits seit 1888 fühlen die Wiener Silesen sich
einem entsprechenden Grundsatz verpflichtet : Infolge einer Kontroverse eines Mit-
glieds der Verbindung mit Georg von Schönerer hatte der Reichsratsabgeordnete Otto
Steinwender seiner Silesia dekretiert , der Bund dürfe sich „nicht zum Drill für eine po-
litische Fraktion , heiße sie auch wie immer , hergeben“
– wohlgemerkt nicht im Geiste
des politischen Pluralismus , sondern weil die Überparteilichkeit „Dauerhaftigkeit und
Stetigkeit“ verbürge.65 Auch die Liberten hielten , jedenfalls bekenntnishaft , den Grund-
satz hoch , sich als Bund nicht „in den Dienst einer politischen Partei zu stellen“66 ; „fern
dem Streit der Tagespolitik“ wollte man vielmehr als „Vertreter des gesamtvölkischen
Gewissens“ in Erscheinung treten.67 Die Frage der ( deutschen ) Volkszugehörigkeit
der österreichischen Mehrheitsbevölkerung sei , so Günther Berka , zu bedeutend , um
sie dem Wettstreit der Parteien zu überantworten. Zudem könne eine mehrheitsori-
entierte Partei Volkstumsfragen allein nicht hinreichend Beachtung schenken und sei
den Unwägbarkeiten des politischen Tagesgeschäftes unterworfen , weshalb man „den
nationalen Gedanken nicht auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal einer politi-
schen Partei verbinden“ könne.68 Vielmehr sei
64 Vgl. AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 11 ; die Grundsätze des burschenschaftlichen Weißen Kreises in
Österreich , wiedergegeben in Libertas 1967 , 181 ; ad-times Nr. 33 / 1982 [ Oktober ], 8 ; DBÖ 1994 , 25 ; F. Ste-
fan 2009 , 9 ; http://www.stiria-graz.at/index.php/wir-ueber-uns.
65 http://silesia-wien.at/index.php/silesiageschichte.html. Steinwenders Überlegung sollte noch im 21. Jahr-
hundert Bestätigung finden : Dass Silesen ( durchaus untypischerweise ) sowohl in der FPÖ als im von die-
ser abgespaltenen BZÖ aktiv waren , sorgte im Verbund mit persönlichen Konflikten um 2010 für schwere
innerbündische Verwerfungen ( vgl. dazu den von den österreichischen Grünen unterhaltenen Blog http://
www.stopptdierechten.at/2010/11/11/die-burschis-von-der-silesia , Artikel vom 11. 11. 2010 ).
66 So das von Günther Berka verfasste Grundsatzdokument ‚Libertenspiegel‘ , paraphrasiert in Libertas 1967 ,
96. Dass diese Absichtserklärung gerade nicht der Anerkennung und Förderung eines gelebten inne-
ren Pluralismus dienen sollte , sondern als Vorkehrung zur Vermeidung von Streit und zur Wahrung von
Geschlossenheit , zeigt die von Berka an anderer Stelle artikulierte Forderung , parteipolitische Debatten
grundsätzlich aus den Bünden fernzuhalten ( vgl. die Burschenschaftlichen Blätter Nr. 5 / 1954 , 154 ; zur bur-
schenschaftlichen Wahrnehmung innerer Vielfalt vgl. Kapitel III.4 bzw. III.4.2 zur innerburschenschaft-
lichen Konfliktkultur ).
67 Kurt Gallé am Stiftungsfest 1957 , zit. in Libertas 1967 , 128. Auch bei einer Debatte im Wiener Delegier-
ten-Convent ( WDC ) vom April 1957 habe laut dem Liberten-Chronisten die Meinung vorgeherrscht , die
Burschenschaften mögen sich „jede( r ) Parteipolitik“ enthalten ( Libertas 1967 , 140 ).
68 PBW , Berka 1964 , 9 f. ( Zitat : 10 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619