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THEORIE UND METHODE 21
Die Definition des Konzepts Akteur ist allerdings problematisch und um-
stritten. Grundsätzlich spielt Körperlichkeit eine tragende Rolle. Geht man von
menschlichen Akteuren aus, dann ist der jeweilige Körper der zentrale Knoten-
punkt von Praxis. Das einerseits, weil er die physischen Potenziale für Tätigkeiten
(Bewegen, Denken, Fühlen, etc.) bereitsstellt, aber auch und vor allem, weil er
zum Speicher des Wissens um die Zusammenhänge dieser Tätigkeiten wird. In
den Körper eingeschriebenes Wissen – oder wie Bourdieu es nennt: praktischer
Sinn37 – wird damit zum entscheidenden Gestaltungsprinzip von Praxis.38
Das bedeutet auch, wie Andreas Reckwitz schreibt, „dass Handeln im Rahmen
von Praktiken zuallererst als wissenbasierte Tätigkeit begriffen werden kann, als
Aktivität, in der ein praktisches Wissen, ein Können im Sinne eines ‚know how‘
und eines praktischen Verstehens zum Einsatz kommt.“39 Für Karl H. Hörning
bilden die entsprechenden Wissensrepertoires „kulturelle Schemata“40:
„[Diese] wirken nicht so sehr als ‚von außen‘ kommende präskriptive Normen und Regeln,
[…] sondern als eingeschliffene Weisen, ‚sich auf etwas zu verstehen‘, als Beherrschung
von Modalitäten des Handelns, die sich in der ‚richtigen‘ Ausführung sozialer Praktiken
ausdrücken. Das eigentlich ‚Kulturelle‘ dieses Wissens besteht folglich darin, dass es als
Hintergrundwissen von den Akteuren inkorporiert wird und als Sinnmuster in deren Routi-
neinterpretationen eingeht, damit bestimmte Handlungszüge nahelegt, andere als unpas-
send ausschließt und so kollektive Handlungsmuster und Gepflogenheiten stabilisiert.“41
Das Praktiken zugrundeliegende Wissen ist nicht gegeben, sondern sozial und
kulturell erlernt. Soziale und kulturelle Beziehungen sind damit konstitutiv für
Praktiken, umgekehrt konstituieren Praktiken aber auch diese Beziehungen mit.
Schatzki argumentiert:
„[P]ractices are the medium in which lives interrelate. As this medium, they themselves
are not simply interrelations among lives. Practices, consequently, are a dimension of
human coexistence distinct – though not separate – from individuals and their interrela-
tions. A Zusammenhang of lives is not interrelated individuals simpliciter, but individuals
interrelated within and through practices.“42
37 | Vgl. Bourdieu: Sozialer Sinn. Der deutsche Titel des Buchs ist eine eher irreführende
Übersetzung des französischen Originaltitels „Le sense pratique“.
38 | Vgl. ausführlich u.a. Michael Hubrich: Körperbegriff und Körperpraxis. Perspektiven
für die soziologische Theorie. Wiesbaden 2013, S. 71-94.
39 | Reckwitz: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, S. 292.
40 | Hörning: Experten des Alltags, S. 195.
41 | Ebd., S. 195-196.
42 | Schatzki: Social Practices, S. 14.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364