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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL42
chungsgegenstand explizit diskutiert wird, bleiben wiederum kritische Punkte
ungeklärt. Einschlägig für die medienpädagogische Computerspielforschung ist
beispielsweise Wolfgang Fehrs und Jürgen Fritz’ bereits 2003 verfasster Artikel
„Virtuelle Gewalt: Modell oder Spiegel?“, der sich einerseits mit Wirkungsfragen,
zugleich aber mit der „Faszinationskraft virtueller Gewalt“ auseinandersetzt.128
Eine vorsichtige Definition des Begriffs der „virtuellen Gewalt“ nehmen die Au-
toren am Beispiel des Kampfsportspiels Virtua Fighter 2 (irrtümlich als „Virtual
Fighter 2“ bezeichnet) vor:
„VIRTUAL FIGHTER 2 spielt sich […] nicht in der realen Welt ab, sondern in der virtuellen.
Die Ausübung von Macht durch Erlernen und Anwenden von Kampftechniken verbleibt
im Virtuellen. Und auch die Wirkungen im Rahmen des Spiels sind keinesfalls Elemente
der realen Welt, sondern gehören einer anderen Welt an. Insofern geht es bei VIRTUAL
FIGHTER nicht um Gewalt, sondern, wie der Name des Spiels es schon sagt, um etwas,
das man vielleicht virtuelle Gewalt nennen könnte. Es besteht eine Ähnlichkeitsbeziehung
zwischen der realen Gewalt im Kampfsport und dem Geschehen auf dem Bildschirm, in
das der Spieler handelnd einbezogen ist. Die Ähnlichkeit ist hergestellt; sie ist eine Kon-
struktionsleistung des menschlichen Gehirns, das in der Lage ist, zu ergänzen und hinzu-
zudenken, was der virtuellen Welt im Vergleich zur realen fehlt, um so in der Virtualität ein
emotionales Erleben zu erreichen, das der Spieler wünscht: Das Gefühl von Macht durch
virtuelle Entfaltung aggressiver Impulse.“129
Dass sich virtuelle Gewalt über eine „Ähnlichkeitsbeziehung“ herstellt, ist ein
durchaus hilfreicher Hinweis, auf den ich später noch genauer eingehen werde.
Allerdings bringt diese Definition auch ein entscheidendes Problem mit sich.
Denn hier bleibt unklar, ob die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen „virtueller
Gewalt“ und „realer Gewalt“ Grundlage für das „Gefühl von Macht durch die
virtuelle Entfaltung aggressiver Impulse“ oder ein Ergebnis desselben ist (s.o.).
Anders gewendet: Besteht erst eine Ähnlichkeitsbeziehung zu Gewalt, auf der ein
bestimmtes emotionales Erleben aufbaut, oder stellt das emotionale Erleben die
Ähnlichkeitsbeziehung zu Gewalt überhaupt erst her?
Letztere Variante, die beispielsweise auch Michael Kunczik zu vertreten
scheint,130 ist analytisch problematisch. Denn als Computerspielgewalt könnte
dann nur gelten, was die Spieler auch als solche wahrnehmen und deuten (vor-
128 | Jürgen Fritz/Wolfgang Fehr: Virtuelle Gewalt: Modell oder Spiegel? In: Jürgen Fritz
(Hg.): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten. Bonn 2003, o.S. [CD-ROM], wieder-
veröffentlicht unter: http://www.bpb.de/gesellschaft/medien/computerspiele/63709/
virtuelle-gewalt?p=all Diesen Text hat Fritz in Auszügen auch in einen anderen Artikel
übernommen: Jürgen Fritz: Virtuelle Spielwelten und virtuelle Gewalt. In: tv diskurs 42
(2007), H. 4, S. 34-39.
129 | Ebd.
130 | Vgl. Kunczik: Gewalt – Medien – Sucht, S. 13.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364