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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL48
Damit werden einflussreiche Konzepte gezielt ausgeblendet. Wenn in der vor-
liegenden Arbeit von Gewalt gesprochen wird, ist explizit nicht „strukturelle Ge-
walt“ im Sinne Johan Galtungs151 und nicht „symbolische Gewalt“ im Sinne Pierre
Bourdieus152 gemeint. Letzteres ist wichtig zu betonen, da die Theorien Pierre
Bourdieus eine Grundlage des hier verfolgten emotionspraxistheoretischen An-
satzes sind, sein Begriff der „symbolischen Gewalt“ aber für diese Untersuchung
keine Rolle spielt. Beide Konzepte sind in der Gewaltforschung weit verbreitet und
beziehen sich auf das Wirken oftmals unscheinbarer Herrschaftsverhältnisse an-
statt auf die unmittelbar nachvollziehbare Ausübung physischer Gewalt. Ähnli-
ches gilt für die sogenannte „psychische Gewalt“.153 Angela Keppler argumentiert
zwar zu Recht, dass Gewalt – beispielsweise „in der Form massiver Beleidigun-
gen, Verunsicherung oder Demütigung – als psychische Gewalt die Lebensfähig-
keit ihrer Opfer ebenso sehr beeinträchtigen [kann] wie die physische“,154 doch
psychische Gewalt mit Computerspielen in Verbindung zu bringen, würde einen
von vornherein wertbehafteten und zugleich empirisch kaum fassbaren Untersu-
chungsgegenstand erschaffen.
Die Einschränkung auf physische Gewalt beziehungsweise auf den Umgang
mit ihren computervermittelten Repräsentationen hat hingegen mehrere Vortei-
le.155 Erstens ist physische Gewalt eine relativ klar erkennbare und (auch auf Ebe-
ne der computervermittelten Repräsentation) als eine Tätigkeit empirisch beob-
achtbare Untersuchungskategorie – zumindest wenn man davon absieht, dass die
Absicht beziehungsweise der Vorsatz der physischen Schädigung nicht immer
eindeutig zu bestimmen ist.156 „Physical violence“, so auch Randall Collins, „has
a clear core referent, which we can study using micro-situational observations.“157
Die relativ objektive Beobachtbarkeit ermöglicht es zweitens, anders als ein Groß-
teil der Gewaltkonzepte, eine Wertung der angesprochenen Praxis zu vermeiden.
Gerade bei einem so diskursiv aufgeladenen Untersuchungsgegenstand wie Com-
puterspielgewalt ist dieser Punkt entscheidend. Er ermöglicht eine ethnografisch-
analytische statt eine wertende Verwendung des Begriffs.
in der Kultur“, dass eine entsprechende Fokussierung und Einschränkung grundlegend
für kulturwissenschaftliche Studien sei, wenn sich diese nicht in analytisch unscharfen
Begriffen verlieren wollen.
151 | Vgl. einführend Susanne Kailitz: Johan Galtung, Strukturelle Gewalt. Beiträge zur
Friedens- und Konfliktforschung, Reinbek bei Hamburg 1975. In: Steffen Kailitz (Hg.):
Schlüsselwerke der Politikwissenschaft. Wiesbaden 2007, S. 133-136.
152 | Vgl. einführend Stephan Moebius/Angelika Wetterer: Symbolische Gewalt. In: Ös-
terreichische Zeitschrift für Soziologie 36 (2011), S. 1-10.
153 | Vgl. exemplarisch Keppler: Mediale Gegenwart, S. 145.
154 | Ebd.
155 | Vgl. dazu auch Nunner-Winkler: Überlegungen zum Gewaltbegriff, S. 27ff.
156 | Vgl. ebd., S. 47.
157 | Collins: Violence, S. 24.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364