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THEORIE UND METHODE 55
jektstatus beanspruchen dürfen. Über diese digitalen Objekte werden nun „virtu-
al objects“ generiert: „Virtual objects are digital objects that appear to us as phy-
sical objects and that we interact with in a manner similar to physical objects.“178
Während Boellstorff also die Unterscheidbarkeit von Virtuellem und Fakti-
schem beziehungsweise Physischem hervorhebt, betont Brey ihre Verbundenheit.
Als Beispiel führt er den klassischen Desktop-Ordner an, der wie seine physische
Entsprechung aufgeklappt und beispielsweise mit Dokumenten gefüllt werden
kann. Allerdings bleibt Brey vage in Bezug auf das Problem, dass virtuelle Objekte
nicht genau wie physische Objekte behandelt werden. Denn NutzerInnen nehmen
den Bezug zu Physischem nicht zwangsläufig für voll. Zugespitzt formuliert:
Dass man einen Desktop-Ordner samt Inhalt aus dem Nichts einfach duplizieren
kann, sorgt heute kaum noch für Überraschungen. Konkretisiert werden muss
also, dass virtuelle Objekte uns nicht genau wie, sondern ähnlich wie physische
Objekte erscheinen und wir unsere Interaktion mit ihnen an diese Ähnlichkeit
anlehnen.
Der Begriff der Ähnlichkeit bringt eigene Schwierigkeiten mit sich, doch er
zielt effektiv auf die Mitte zwischen den Perspektiven Boellstorffs und Breys:
Virtuelles zeichnet sich durch eine zugleich trennende und verbindende Span-
nung zu Physischem aus. Diese Spannung versuche ich mit dem Verweis auf
die Ähnlichkeit zwischen Virtuellem und Physischem begrifflich zu fassen. Die
Herstellung dieser Ähnlichkeit setzt allerdings – das wird besonders bei der Defi-
nition Breys deutlich – die aktive Nutzung virtueller Angebote voraus. Nur indem
Akteure ihr bestehendes Wissen um die Eigenschaften des jeweiligen physischen
Objekts einbringen, kann die Ähnlichkeit zu ihm überhaupt erst erkannt und
dementsprechend zur Anwendung gebracht werden.179
In gewisser Hinsicht gilt das auch für analoge technische Artefakte. Denn
Technik, so Stefan Beck in seiner grundlegenden Arbeit zur empirisch-kulturwis-
senschaftlichen Technikforschung, ist letztlich immer eingebunden in die Arten
und Weisen ihrer Nutzung (vgl. dazu auch Kap. 2.1.2).180 Nur insofern Akteure et-
was mit Technik tun, wird diese zu einer soziokulturell relevanten „Tat-Sache“.181
Eine empirisch-kulturwissenschaftliche Perspektive fragt also weniger danach,
178 | Ebd.
179 | In einer medientheoretischen Arbeit zum Thema Computerspielen bringt Wulf Hal-
bach diesen Punkt in Verbindung mit dem Begriff des „Erinnerns“. Mit deutlicher Anleh-
nung an einen sozialkonstruktivistischen Wirklichkeitsbegriff formuliert er: „Damit ein
Computerspiel bzw. eine Computersimulation zu einer (individuellen) Wirklichkeit wird,
müssen die Elemente des Inszenierungsraumes so angelegt sein, dass im Imaginations-
raum eine Vermittlung zwischen der erinnerten und der simulierten Wirklichkeit stattfin-
det.“ Ders.: Interfaces. Medientheoretische Elemente einer Interface-Theorie. München
1996, S. 94.
180 | Vgl. Beck: Umgang mit Technik, insb.: S. 165-363.
181 | Ebd., S. 353.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364