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THEORIE UND METHODE 67
Die PC-Spieler unter ihnen treffen sich regelmäßig, häufig täglich, auf soge-
nannten Teamspeak-Servern oder über das Kommunikationsprogramm Skype, die
unabhängig vom jeweiligen Spiel permanent zugänglich sind. Teamspeak bietet
technische Infrastrukturen, aufgeteilt in verschiedene Kommunikationsräume
(ähnlich wie Chat Rooms), in die sich Spieler einloggen und dann über Kopfhörer
und Mikrofone beziehungsweise Headsets miteinander sprechen können.
Diese Art der Kommunikation und des ‚Rumhängens‘ in Online-Sprachkanä-
len ist für Vielspieler völlig alltäglich. Hier halten sie sich auch auf, wenn sie sich
gemeinsam in ein Online-Spiel einloggen und hier findet dementsprechend die
spielbezogene Kommunikation statt. Es sind diese verbalen Kommunikationspro-
zesse, aus denen sich der Großteil der untersuchten Emotionspraktiken ergibt.
Denn das Geschehen auf dem Bildschirm ist, betrachtet man es isoliert, nur be-
grenzt aussagekräftig für eine ethnografische Forschung. Die für diese Arbeit
zentralen Emotionspraktiken bestehen vielmehr in verbalen (gelegentlich auch
geschriebenen) Bezugnahmen innerhalb der Sprachkanäle auf das Spielgesche-
hen. Spieler kommentieren permanent ihre Spieltätigkeiten, freuen sich, ärgern
sich, prahlen, lachen, loben ihre Freunde, artikulieren ihre Erlebnisse, und so
weiter. Die teilnehmende Beobachtung online erfasst also erstens die Tätigkei-
ten der Spieler im Spiel, zweitens die im Sprachkanal ablaufende Kommunika-
tion, sowie drittens und am wichtigsten die Beziehung zwischen diesen beiden
Prozessen.
Der wiederholte Einstieg ins Feld bestand folglich nicht einfach im Einloggen
in ein Spiel (was stets problemlos war), sondern im Suchen von und Einfinden
in Spielergruppen über Audio-Sprachkanäle. Hin und wieder ergab sich das eine
aus dem anderen. Einen meiner ersten Mitspieler im Zombie-Survival-Spiel DayZ
lernte ich beispielsweise ganz zufällig kennen, als wir mit unseren Avataren ge-
meinsam vor einer Horde computergesteuerter Zombies davonrannten und uns
in einer kleinen Hütte versteckten. Wir kommunizierten – vorerst auf Englisch
– über die spielinterne Sprachfunktion, mit deren Hilfe man Spieler in der eige-
nen Nähe innerhalb der Spielumwelt ansprechen kann, ohne mit ihnen in einem
externen Sprachkanal zu sein. Der mir völlig unbekannte Spieler hatte bereits
eine Axt gefunden und hielt mir die Zombies vom Leib. Wie sich herausstellte,
war er ebenfalls Deutscher. Ich bedankte mich und er lud mich seinerseits gleich
in den unabhängig vom Spiel DayZ laufenden Sprachkanal ein, wo wir dauerhaft
miteinander sprechen konnten (auch wenn unsere Avatare nicht im Spiel neben-
einander standen), fortan regelmäßig zusammen spielten und ich bald auch seine
Mitspieler und dann wieder deren Mitspieler kennenlernte, die ich für viele Mo-
nate begleiten sollte.
Über solche teils verworrenen Wege finden Spielergruppen zusammen und
so fand auch ich zu ihnen. Forschungsethisch stand für mich außer Frage, meine
Mitspieler nach einer Kennenlernphase über meine Forschung zu informieren.
Ausnahmen ergaben sich beim nur flüchtigen Zusammenspiel mit einzelnen
Spielern oder beim Spielen in sehr großen (teils Dutzende Spieler umfassen-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364