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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL76
vorangegangenen Feldforschungserfahrungen auf.228 Auch in der vorliegenden
Studie wurden die Interview-Leitfäden induktiv und für alle InterviewpartnerIn-
nen individuell aus den bereits gesammelten Daten herausgearbeitet. Das heißt,
die meisten Interviewfragen ergaben sich aus im Feldtagebuch festgehaltenen,
ganz konkreten Beobachtungen und Erfahrungen, die ich gemeinsam mit den
Spielern gemacht hatte.
Die variierenden und für jedes Interview angepassten Leitfäden waren nicht
linear angeordnet, sondern mit Hilfe eines Softwareprogramms als visuell-textli-
che Netzwerke gestaltet. Das förderte meines Erachtens einen flexibleren Wech-
sel zwischen einzelnen Themen je nach Verlauf des Interviews (im Gegensatz zu
einem Abarbeiten linear angeordneter Leitfäden). Nach einigen Einzelinterviews
erprobte ich, Gruppeninterviews in Teamspeak-Sprachkanälen durchzuführen.
In einigen Fällen entstand daraus auch der gewünschte Effekt, nämlich dass die
Spieler miteinander ins Gespräch über die zur Debatte stehenden Spielprozesse
kamen, weshalb ich weitere Gruppeninterviews durchführte. Abschließend wur-
den die Interviews teiltranskribiert und behutsam sprachlich geglättet – letzteres,
damit in der ethnografischen Beschreibung die Qualitätsunterschiede in Satzbau
und verbaler Artikuliertheit die ernstzunehmenden Reflexionen der Spieler im
Gegensatz zu dem sie rahmenden akademischen Text nicht allzu sehr benach-
teiligen. Auch mit Einfügungen zu Besonderheiten in Sprache und Intonation
wurde bei der Transkription sparsam umgegangen. Gelegentlich werden Lacher
oder ähnliches vermerkt, Auslassungen werden gekennzeichnet und besondere
Betonungen einzelner Satzteile durch Kursivierungen hervorgehoben.
Die eigentliche Herausforderung der Interviewführung und -auswertung be-
stand in der Aufgabe, durch sie die emotionalen Erfahrungen im Spielprozess
besser zu verstehen. Im Sinne des verfolgten emotionspraxistheoretischen An-
satzes ging es explizit nicht darum, diese Erfahrungen im ‚Innern‘ der Akteure
aufzuspüren oder dort gar nach ‚authentischen Emotionen‘ zu forschen. „[D]enn
besonders in der Auseinandersetzung mit Sinnen und Emotionen“, so formuliert
es Carmen Weith, „erübrigt sich die Suche nach Wahrheiten, sind doch alle Schil-
derungen zutiefst individuell und situationsabhängig.“229 Es ging vielmehr dar-
um, die Interviewaussagen der Spieler für eine Kontextualisierung der bereits im
Feld beobachteten Prozesse zu nutzen. Die Aussagen werden dabei nicht selbst in
ihrer Funktion als Emotionspraktiken untersucht. Zwar sind hier (wie in fast al-
len Gesprächen) durchaus Emotionspraktiken enthalten, aber sie finden in einem
außerhalb des Spielalltags evozierten Rahmen statt. Mit anderen Worten: Die In-
terviews sind kontextualisierende Sekundärmaterialien, die das Verständnis für
die Primärmaterialien (Spiel- und Emotionspraktiken im Feld) bereichern sollen.
Lassens. In: Silke Göttsch/Albrecht Lehmann (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positio-
nen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. Berlin 2007, S. 169-188.
228 | Vgl. ebd.
229 | Weith: Alb-Glück, S. 43.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364