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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL78
häufig eine sogenannte Facecam eingesetzt, die in einer Ecke des Bildschirms das
Gesicht des Let’s Players während des Spielens einblendet.
In Deutschland gewann die Let’s Play-Szene zwischen 2010 und 2013 enorm
an Popularität. Während die Videos anfangs nur von wenigen ZuschauerInnen
angesehen wurden, haben sich inzwischen regelrechte Stars der Szene etabliert,
die eine große Fangemeinde um sich versammeln und ihre Tätigkeit hauptbe-
ruflich ausüben. Der Kanal des populärsten deutschen Let’s Players Gronkh ver-
zeichnet über 3,5 Millionen AbonnentInnen, denen täglich seine neuesten Videos
angezeigt werden. Auf Gronkh folgen dessen langjähriger Freund Sarazar mit
ca. 1,6 Millionen AbonnentInnen und der Kanal der Spielergruppe PietSmiet mit
ca. 1,8 Millionen AbonnentInnen (Stand März 2015). Die beliebtesten Let’s Play-
Folgen dieser Entertainer erreichen mehrere hunderttausende Klicks täglich, ein-
zelne Specials auch mal mehrere Millionen. Inwiefern diese Klicks tatsächliche
Indikatoren für ZuschauerInnenzahlen sind, ist umstritten. Klar ist, dass Let’s
Play-Videos auch in Deutschland eine große – glaubt man den Zahlen, eine meh-
rere Millionen Personen umfassende – Fangemeinde besitzen, was sich auch an
den zahlreichen sogenannten Likes (vereinfacht gesprochen: Empfehlungen) zu
den Videos und den zahllosen unter sie geposteten YouTube-Kommentaren zeigt.
Zu einer wertvollen Quelle für die vorliegende Studie werden diese Videos,
da Let’s Player in ihrem Bemühen um eine unterhaltsame Darstellung perma-
nent ihre emotionalen Erfahrungen artikulieren. Aus ethnografischer Perspekti-
ve sind LPs natürlich nicht als ‚authentische‘ Spielprozesse zu behandeln. Auch
wenn die Let’s Player ein Image repräsentieren, demzufolge sie als Jungs von ne-
benan genau wie alle anderen Gamer einfach nur Spaß am Zocken haben und
diesen mit anderen teilen wollen, sind zumindest die erfolgreichen unter ihnen
professionelle Entertainer, denen diese Tätigkeit beachtlichen wirtschaftlichen
Gewinn über Werbeeinnahmen einbringt.231 Dementsprechend ist ihr Spielen als
eine unter besonderen Bedingungen stattfindende kulturelle und auch ökonomi-
sche Praxis zu bewerten, die sich auf den Unterhaltungswert des Dargestellten
für die ZuschauerInnen ausrichtet.
Dennoch oder gerade deshalb sind LPs ethnografisch interessant. Als Schlüs-
selfiguren von Computerspielkulturen bringen Let’s Player zur Sprache, welche
emotionalen Erfahrungen mit ludisch-virtueller Gewalt möglich, gewöhnlich, er-
strebenswert oder auch tabu sind. Sie repräsentieren erstens eine als alltäglich
verstandene Art des Spielens und lassen sie zweitens in hoher Frequenz in die
Spielerschaft diffundieren. Geht man aus praxistheoretischer Perspektive von
habitualisierten Arten und Weisen des Umgangs mit Computerspielgewalt aus,
dann sind Let’s Play-Videos Knotenpunkte dieser Habitualisierung.
231 | Das Unternehmen YouTube untersagt allen KünstlerInnen, über die für Werbung be-
zahlten Beträge Auskunft zu geben. Die Seite Socialblade schätzt beispielsweise Gronkhs
Jahreseinkommen sehr grob zwischen 100.000 und 1,6 Millionen Dollar ein (Stand März
2015). Vgl. http://socialblade.com/youtube/
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364