Page - 102 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Image of the Page - 102 -
Text of the Page - 102 -
GEWALT IM
COMPUTERSPIEL100
„Explosionen, etc. pp., weißt du? So grafisch kommt das besser rüber, deswegen … Ich
muss sagen, für mich ist es schöner, gewalttätige Spiele zu spielen. Jetzt nicht, wegen
der Gewalt an sich, sondern halt, weiß ich nicht, wenn ich zum Beispiel Battlefield nehme,
wenn du da siehst: die Explosionen, die Lichteffekte und sowas, das nimmt mich dann
mit.“ (IV23)
Auch in den Sprachkanälen von Online-Multiplayer-Spielen wird immer wieder
über Effekte gestaunt, die visuellen wie die auditiven. Ein mir vertrauter Mitspie-
ler beispielsweise freute sich nach dem Killen eines Gegners: „Da hast du so rich-
tig schön die Knochen knacken hören beim Eintreffen der Schüsse!“, und beende-
te den Satz mit einem genüsslichen Lachen. (FT)
Ein besonderer Moment ergab sich, als ich gemeinsam mit dem Spieler Dark-
dragon durch die weiten Landschaften von DayZ streifte und der Basis eines an-
deren Clans (so werden hier die Spielergruppen genannt) einen Besuch abstat-
tete. Wir wussten, die Spieler dieses Clans waren zur Zeit nicht online, und so
beschloss Darkdragon, dass er die in ihrer Basis gelagerten Fahrzeuge zerstören
wollte. Das Spiel gibt solche Aktionen nicht als Ziel vor, im Gegenteil wäre ein
freundschaftliches Verhalten mindestens ebenso gut möglich. Bei der Basis der
Gegner angekommen, brachte er sich in Position für den Wurf von Handgrana-
ten. Ich ging in Deckung, da der Tod des eigenen Avatars in DayZ permanent ist.
Mein Mitspieler warf seine Granaten auf die (zwischen den unzerstörbaren Häu-
sern herumstehenden) Fahrzeuge und wir warteten gespannt auf den Effekt. Erst
passierte gar nichts und ich begann schon, mich über ihn lustig zu machen. Dann
explodierten gleich mehrere Granaten auf einmal und überall blitzten Lichteffek-
te auf, Autos verwandelten sich in Wracks, Flammen und dunkle Rauchschwaden
stiegen auf. Darkdragon warf weitere Granaten und freute sich zwischendurch
im Sprachkanal stolz: „Lol!27 Direkt auf die Ladefläche [eines Autos, C.B.], gese-
hen?“ Plötzlich ertönte eine sehr nahe Explosion und die dadurch entstehende,
simulierte Druckwelle setzte den Ton meiner Kopfhörer außer Kraft (so wie mich
eine echte Explosion ertauben lassen würde), was mir ein erstauntes „Wooou-
uu!“ entlockte. Langsam beruhigte sich das Gehör meines Avatars wieder und
wir setzten uns in die Nähe der Wracks, um die Flammen zu bewundern. Einen
Moment schwiegen wir andächtig, bis ich einfach aussprach, was ich empfand:
„Hübsch.“ Darkdragon erwiderte, wie mir schien lächelnd: „Das sieht cool aus,
gefällt mir auch.“ Zuhause vor dem PC zückte er dann sein Smartphone, machte
kurzerhand ein Foto von seinem Bildschirm, auf dem sein Avatar mit Blick auf
die brennenden Wracks zu sehen war, und schickte es an die WhatsApp-Gruppe
unseres Clans (eine durchaus gängige Praxis des Teilens von Spielmomenten
27 | „Lol“ steht für „Laughing out Loud“ und gilt in Spielkulturen als Ausdruck des eige-
nen überraschten oder auch amüsierten Lachens. Während sich dieses Kürzel ursprüng-
lich im Rahmen von Chat-Kommunikationsprozessen durchgesetzt hat, wird es inzwischen
auch (als einsilbiges) Wort in Sprachkanälen gesprochen.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364