Page - 129 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Image of the Page - 129 -
Text of the Page - 129 -
VIRTUELL-KÖRPERLICH 127
tar nun durch verschiedene Ausweichmanöver in eine Position bringen, von der
aus er den gepanzerten Gegner mit einem Nahkampfangriff verwunden kann. Er
ist bereits geübt in dieser Technik und landet schon beim ersten Versuch einen
Treffer, woraufhin er provokativ den computergesteuerten Gegner anspricht: „Na,
du kleines Arschloch?“ Der Gegner setzt aber gleich zu einem neuen Angriff an.
Sarazar ruft ihm entgegen: „Na dann komm her, ich tanze gerne mit dir!“ Ge-
konnt weicht er dem nächsten Angriff aus und lässt Lara Croft mit einer elegan-
ten Bewegung einen Treffer landen, bevor er selbstsicher ergänzt: „Den Walzer
hab ich drauf!“ Nun kann er zu einem Killmove ansetzen. Sarazar betätigt die
entsprechende Taste, Lara hält dem maskierten Gegner die Schrotflinte unters
Kinn – die Bildschirmperspektive zoomt hier nah an das Geschehen heran – und
drückt ab. Blut spritzt aus dem Schädel des Gegners und Sarazar ruft „Pam!“, ge-
folgt von einem genüsslich Lachen. Mit tiefer Stimme ergänzt er: „Exekutionskill
sag ich dazu nur.“
Diese nur 35-sekündige Sequenz vereint einerseits einige der bisher ange-
sprochenen Erfahrungsfacetten. Sarazar artikuliert hier nicht nur Einschlagslust
durch das bekannte „Pam!“, sondern hebt durch die Parallelisierung mit Tanzen
und den stolzen Verweis auf den ausgeführten Exekutionskill auch die Erfah-
rung von gekonnter Ausführung und Eleganz hervor, die in die Freude an einem
effektvoll inszenierten Killmove mündet. Dazwischen mischen sich aber auch
andere Artikulationen. Erstens spricht er den computergesteuerten Gegner di-
rekt an beziehungsweise beschimpft ihn („kleines Arschloch“) und demonstriert
seine Unerschrockenheit („Na komm doch her, ich tanze gerne mit dir!“). Zwei-
tens kommentiert er den erfolgreichen Kill mit einem spezifischen Lachen, das
wenig mit Humor und Witz zu tun hat, sondern den Gegner für seine Niederlage
auslacht.
Dabei eröffnet der Let’s Player eine performative Kommunikation mit einem
computergesteuerten Gegner. Diese Praxis ist in Let’s Play-Videos absolut gängig.
Er verdeutlicht so sein Sich-Einlassen auf das Deutungsangebot des Spiels, dem-
zufolge sein als Mensch repräsentierter Gegner gewissermaßen wie ein sozialer
Akteur zu behandeln ist. Aus einer medienpsychologischen Perspektive widmen
sich diesem Phänomen Tilo Hartmann und Peter Vorderer.119 Aufbauend auf
neueren medienpsychologischen Studien stellen sie drei Thesen zum Verhältnis
zwischen menschlichen Spielern und computergesteuerten Gegnern auf. Ers-
tens könnten mediale Objekte, also auch computergesteuerte Repräsentationen
menschlicher Körper, leicht „automatic social perception processes“ auslösen und
den Spielern so die Präsenz sozialer Entitäten vermitteln.120 Zweitens tendierten,
so die Autoren, MediennutzerInnen generell dazu, sich als „believers“ auf das
Medienangebot einzulassen.121 Einen Aufwand müssten sie eher dann betreiben,
119 | Vgl. Hartmann/Vorderer: It’s Okay to Shoot a Character.
120 | Ebd., S. 95.
121 | Ebd., S. 96.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364