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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL146
geschlechtliche Konnotation aus und die meisten Fans genießen diese Stimmung, ohne
zu körperlicher Gewalt zu greifen.“167
Sülzle fügt dem allerdings die entscheidende Beobachtung hinzu, dass sich weib-
liche Fans in der Konfrontation mit physischer Gewalt schließlich doch anders
verhalten und andere kulturelle Regeln für sie gelten als für männliche Fans.
Die Virtualität des Umgangs mit physischer Gewalt in Computerspielen bietet
eine Möglichkeit, diese Trennung in männliche und weibliche Verhaltensregeln
in Bezug auf physische Gewalt spielerisch infrage zu stellen. Das ist natürlich
nicht immer der Fall, doch manche Spielerinnen nutzen die Chance, um hier
mit der gleichen Emphase wie die männlichen Spieler das Vergnügen an virtuell-
körperlichen und normalerweise eher männlich konnotierten Dominanzerfah-
rungen zu artikulieren. Die deutsche YouTube-Künstlerin Bina Bianca, die auf
ihrem Kanal „Tribute Songs“ zu bekannten Games präsentiert, formuliert es in
ihrem Song „Gamer Girls Tribute“ (treffenderweise zu einer plötzlich ins Harm-
los-Kindliche wechselnden Melodie) so:
„I am a hero, rescue queens. I’m a soldier, or machine. I’m in space or underground. I
ride dragons and I shout: ‚Fus Ro Dah‘, you NPC’s!‘ [bekannter magischer Ruf, der im
Rollenspiel Skyrim die Gegner weit zurückstößt, C.B.] It’s my time, and you will see: the
girl you’ve bullied in the past, now kicks your motherfucking ass! Well, at least in a virtual
kind of way.“168
Die Spielerin Lela beschreibt in diesem Kontext einen sich vollziehenden Wand-
lungsprozess von Computerspielkulturen. Als wir im Interview gerade darüber re-
den, ob tatsächlich die meisten weiblichen Spielerinnen in MMORPGs sogenann-
te Heilerinnen spielen (wie es eine gängige Vorannahme unterstellt) und damit
eine eher stereotype Vorstellung von Weiblichkeit bestätigen, kommentiert sie:
„Ich glaube, dass wir da wirklich so ein bisschen an nem Wandel sind, weil immer
mehr Frauen eben von dieser Heilungsgeschichte weggehen und sagen: Ne, im
Spiel kann ich ja sein, wer ich möchte, und dann kann ich halt auch mal (betont:)
‚Bäm!‘ machen.“ (IV10) Ich lache mit ihr über diese Beschreibung, woraufhin
ihr Kumpel Pandrael süffisant kommentiert: „Die große MMO-Emanzipation!“
(IV10) Nimmt man diesen schmunzelnden Kommentar ernst, dann unterstreicht
er zumindest die Möglichkeit, dass die Ausübung von Computerspielgewalt in
ihrer Doppelfunktion als doing emotion und doing gender zugleich zur Eroberung
einer als männlich konnotierten Emotionspraxis werden kann und genau dieser
Aspekt für manche weiblichen Gamerinnen das Spielvergnügen bereichert.
167 | Almut Sülzle: Fußball, Frauen, Männlichkeiten. Eine ethnographische Studie im
Fanblock. Frankfurt a.M. 2011, S. 172.
168 | Bina Bianca: Gamer Girls Tribute - Bina Bianca (original song) (25.1.2013), 01:00-
01:30. https://www.youtube.com/embed/yVHzdt6REoE?start=60&end=90
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364