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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL148
eigenen Avatar, oder anders gewendet: Dem Avatar des Spielers widerfährt in die-
sem Moment ludisch-virtuelle Gewalt. Die ist genau wie der Avatar selbst sehr
abstrakt repräsentiert, doch der Grad der Abstraktion ist hier irrelevant. Das Ver-
gnügen an diesem Prozess ist in wesentlichen Teilen auch ein Vergnügen an der
Widerfahrnis von Computerspielgewalt beziehungsweise an der daran gekoppel-
ten Bedrohung des Avatarkörpers. Dieses Vergnügen steht Pac Man auf besagtem
Cover förmlich ins Gesicht geschrieben: Auf der Flucht vor den ihn verfolgenden
Geistern schaut er mit gehetztem Blick zurück und trotzdem oder gerade deshalb
lacht er fröhlich auf.
Diese eigentümliche Mischung aus Stress und Spaß findet sich bereits in frü-
hen Testberichten von Actiongames wieder. In der gleichen Telematch-Ausgabe,
die das Pac Man-Cover ziert, wird vom „superschnelle[n] Angriffsspiel“ Nautilus
berichtet:
„Es bleibt nicht mehr viel Zeit: Sie als U-Boot Kommandeur der Nautilus, einem Angriffs-
U-Boot, voll ausgerüstet mit einem Arsenal von Thunderbolt Torpedos, müssen irrsinnig
schnell Entscheidungen treffen und dann auch sofort handeln. Bedrohungen gibt es un-
endlich viele, denn auf der Meeresoberfläche hat ein stark bewaffneter Zerstörer die Jagd
auf die Nautilus aufgenommen. Mit Wasserbomben und Raketen, die auf jede Bewegung
reagieren. […] Angriffswelle auf Angriffswelle kommt auf die Nautilus zu und Sie bringen
geschickt Ihre Torpedos ins Ziel. Doch – kommt die Nautilus durch? Halten Ihre Nerven
das alles aus? Wer wird schlussendlich den Kampf gewinnen?“172
Die Rhetorik der SpieletesterInnen stellt Bedrohung und Stress als im positiven
Sinne nervenaufreibende Herausforderung dar. Auch Hartmut Huff meint zu ei-
nem „Ballerspiel“ von 1983:
„Nur der sollte sich in das unheimliche Spinnennetz von Web Wars begeben, wer sich
bereit findet, pausenlose Angriffe dräuender Dronen abzuwehren, danach sogenannten
‚Fantasy Creatures‘ schweißgebadet standzuhalten und zwischendurch dem Supermons-
ter mit der beziehungsreichen Bezeichnung ‚Cosmic Dragon‘ Paroli zu bieten.“173
Besonders spektakulär wird diese Art der Bedrohung Anfang der 1980er-Jahre
auf leistungsstarken Münz-Videoautomaten inszeniert. Von einer in 3D-Grafik
realisierten Spieleadaption einer Gefechtssequenz aus der Star Wars-Filmreihe
schwärmt die gesamte Telematch-Redaktion:
172 | O.A.: Nautilus: Ein superschnelles Angriffsspiel für Atari-Computer. In: Telematch
(1983), H. 1, S. 48. http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1983-01_seite48
173 | Hartmut Huff: Web Wars. Das Netz, in dem auch Dronen wohnen. In: Telematch
(1983), H. 6, S. 44-45, hier: S. 44. http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_19
83-06_seite44
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364