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							GEWALT IM
COMPUTERSPIEL156
ausging, erfassbar, kulturell integrierbar und ästhetisch goutierbar“.202 In die Ka-
tegorie des Erhabenen falle beispielsweise die künstlerische Verarbeitung von Ka-
tastrophen, von Kriegen, von Mord und Totschlag oder körperlicher Entstellung.
„Das Vergnügen“, so fasst er zusammen, „kommt jedes Mal dadurch zustande,
dass der Betrachter gleichsam in die unmittelbare Nähe und sozusagen an die
virtuelle Grenze zum Schrecklichen versetzt wird – ohne sie freilich vollends zu
überschreiten.“203
In Computerspielen werde dieser Prozess über den Avatar des Spielers geleitet.
Von Brinckens Argumentation ist dabei anschlussfähig an das hier vorgeschlage-
ne Konzept der embodiment relation zwischen Spieler und Avatar. Er schreibt:
„Über die manuelle Steuerung der Kontrollinstrumente und die Sichtbarkeit des digitalen
Stellvertreters entsteht ein Gefühl extremer Nähe, ein Gefühl körperlichen Betroffenseins
bei gleichzeitiger bewusster, aber nicht wirklich reflektierter körperlicher Sicherheit: eine
veritable Grenzerfahrung im diffusen Zwischenraum von Bildbetrachtung und Aktion.“204
Der Avatar ermöglicht demnach eine virtuell-körperliche Teilnahme bei gleich-
zeitiger Wahrung einer gewissen Distanz zum Geschehen, wodurch die „Lust am
Schrecken“ in ihrer Funktion als „vorrangig liminales Phänomen“ wirksam wird,
das heißt als „ein Phänomen der Schwelle oder der Grenze, die uns ebenso mit
dem digitalen Spielfeld verbindet wie sie uns von ihm scheidet.“205 Von Brincken
konkretisiert das mit einem Verweis auf Edmund Burke als „maßgebliche[n] The-
oretiker des Erhabenen“:206
„Das Beobachten schrecklicher Geschehnisse entfaltet eine suggestive Macht und führt
so zu einer emotionalen und körperlich-sensorischen Mimese. Über die distanzierte Be-
obachtung kommt es zu einer besonderen Form der Teilnahme und Teilhabe, die jedoch,
veranschlagt man das Distanzmoment, weder auf die gewöhnliche psychologische Erfah-
rung empirischen Schreckens noch auf eine unterstellte psychopathologische Lust an
realer Gewalt zu reduzieren ist. Vielmehr geht es um eine quasi-ästhetische Erfahrung des
Schreckens und um eine darauf beruhende Selbsterfahrung.“207
Wie wichtig diese Art der Selbsterfahrung für Actiongames ist, zeigt auch ein
quantitativer Vergleich. Insgesamt 65% der als „Kampfsequenz“ und 85% der als
„Gewalt-Widerfahrnis“ (also ohne Möglichkeit zur Gegenwehr durch den Spieler)
eingeteilten Sequenzen in den untersuchten Singleplayer-LP-Videos enthielten
202 | Von Brincken: Die Lust am Schrecken, S. 223.
203 | Ebd.
204 | Ebd., S. 225.
205 | Ebd., S. 222.
206 | Ebd., S. 228.
207 | Ebd., S. 229.
					
				
						Gewalt im Computerspiel
							Facetten eines Vergnügens
								
				- Title
 - Gewalt im Computerspiel
 - Subtitle
 - Facetten eines Vergnügens
 - Author
 - Christoph Bareither
 - Date
 - 2016
 - Language
 - German
 - License
 - CC BY-NC-ND 4.0
 - ISBN
 - 978-3-8394-3559-5
 - Size
 - 14.8 x 22.5 cm
 - Pages
 - 370
 - Keywords
 - Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
 - Category
 - Medien
 
Table of contents
- 1. Einleitung 7
 - 2. Theorie und Methode 15
 - 3. Virtuell-körperlich 93
 - 4. Kompetitiv und kooperativ 199
 - 5. Dramatisch und deviant 247
 - 6. Ambivalent 297
 - 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
 - Literatur und Anhang 333
 - Literatur 333
 - Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
 - Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
 - Verzeichnis der geführten Interviews 364