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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL168
eigenen Avatars gefördert. Wenn solche Spiele mit modernen Gamepads (anstatt
mit Maus und Tastatur) gespielt werden, sind eingesteckte Treffer zugleich durch
das elektrische Vibrieren des Pads haptisch spürbar. Entscheidend sind aber die
audiovisuellen Repräsentationen.
Welche emotionalen Erfahrungen Spieler dabei machen, ist eine schwer zu
beantwortende Frage. In Let’s Play-Videos finden sich immer wieder Ausdrü-
cke, die beim Getroffenwerden des eigenen Avatars einen virtuell-körperlichen
Schmerz zur Sprache bringen. Let’s Player kommentieren eingesteckte Treffer
beispielsweise mit Begriffen wie „Aua!“, „Ou!“, „Autsch!“ und auch mal explizit
mit „Ohhhh Schmerzen!“234 oder: „Auauauauauau, das tut doch weh!“235 Auch in
der teilnehmenden Beobachtung sind solche Ausdrücke hin und wieder zu hören.
Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass die Let’s Player und Spieler faktische
physische Schmerzen empfinden. Doch bis zu einem gewissen Grad scheint auch
der faktische physische Körper in diesen Momenten durch das Spielgeschehen
affiziert zu werden.
Ein Beispiel dafür bietet ein Ausschnitt aus einem Let’s Play-Video zum Sin-
gleplayer-Horror-Actionspiel Outlast von Gronkh. Ähnlich wie in Slender kann
der Avatar hier selbst nicht angreifen, sondern er kann vor den geisteskranken
Schergen des irren Anstaltsleiters einer Psychiatrie nur davonlaufen und sich in
Sicherheit begeben. Dabei steht dem Avatar – einem Journalisten, der die dunklen
Machenschaften an diesem Ort aufklären soll –, lediglich eine Videokamera mit
Nachtsichtgerät-Funktion zur Verfügung. Auch dieses Spiel wird, wie bei Let’s
Play-Videos zu Horrorspielen üblich, mit Facecam gespielt.
Zu Beginn des Ausschnitts klettert Gronkh mit seinem Avatar durch einen
engen Lüftungsschacht und springt in einen kleinen, spärlich beleuchteten
Raum hinab (empfohlenes Beispiel).236 Auf einen Stuhl gefesselt, sitzt dort ein
Insasse der Psychiatrie, der plötzlich laut zu schreien und zu toben beginnt, ohne
dass man ihn stoppen könnte. Gronkh sieht sich hektisch um, sein Gesicht ist
rechts unten am Bildschirmrand in Farbe zu sehen. Die im Raum nebenan nach
Gronkhs Avatar suchenden Schergen rufen: „Want meat! Want meat!“, und etwas
rummst heftig von außen gegen die einzige Türe, die in den Raum führt. Gronkh
läuft hektisch im Raum hin und her – was soll er tun? Zu spät bemerkt er, dass er
einen Schrank zur Seite schieben muss, um in den nächsten Raum gelangen zu
können. Die Schergen brechen die Tür auf. Sie entdecken Gronkhs Avatar, rennen
234 | PietSmiet (Jay): Let’s Play Crysis 2 #001 [Deutsch][HD] - Alcatraz am Start (17.1.
2013), 26:10-26:30. https://www.youtube.com/embed/VCO2POm-osM?start=1570&end
=1590
235 | Sarazar: Let’s Play Spec Ops: The Line #007 - Kein Weg zurück [Full-HD] [Deutsch]
(11.7.2012), 0:40-0:50. https://www.youtube.com/embed/Hgs9aE9u1FE?start=40&end
=50
236 | Gronkh: OUTLAST [HD+] #010 - Lauf, Lauf, LAUF!!! * Let’s Play Outlast (14.9.2013),
10:50-13:15. https://www.youtube.com/embed/eHgu_XXxS5k?start=650&end=795
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364