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VIRTUELL-KÖRPERLICH 177
[…]. Absolut brilliant: […] Eine […] Rollmine mit der Gravity Gun zu fangen und
postwendend in eine Feindgruppe zurückzufeuern – das ist dermaßen cool, dass
selbst die hartgesottensten Action-Veteranen der Redaktion breit grinsend vorm
Monitor hockten.“252
Deutlich macht dieser kurze Rückblick in die Computerspielgeschichte, dass
virtuelle Waffen eine wichtige Rolle für das Vergnügen mit Computerspielgewalt
einnehmen. Ihre Funktionen möchte ich im Folgenden in zwei Dimensionen un-
terscheiden. Erstens sind virtuelle Waffen Teil der embodiment relation zwischen
Spieler und Avatar, was sie zum prägenden Faktor im Prozess virtuell-körperli-
cher Erfahrung macht. Zweitens sind sie aber auch ästhetische Objekte der An-
schauung. Beide Funktionen bedingen sich gegenseitig, werden im Folgenden
aber analytisch getrennt.
Erweiterte embodiment relations
In den bisherigen Kapiteln wurde das Vergnügen an ludisch-virtueller Gewalt als
virtuell-körperlicher Prozess beschrieben. Dieser basiert auf einer embodiment re-
lation zwischen Spieler und Avatar, wobei der Spieler Akteur und der Avatar sein
Medium ist. Doch wie lässt sich in dieses Bild die virtuelle Waffe des Avatars
einordnen? Klar ist: Sie wird nicht getrennt vom Avatarkörper gesteuert, sondern
mit ihm zusammen. Augenfällig wird das beim Prinzip Ego-Shooter, in dem die
Ausrichtung der Waffe und die Ausrichtung des Sichtfelds des Avatarkörpers eins
sind. Am Rande des Bildschirms sind noch die Arme und Hände des Avatars
sichtbar, dominierend ist im Sichtfeld aber stets die Waffe.
Auch Third-Person-Spiele unterscheiden sich davon nur graduell. Zwar ist
hier im Regelfall ein großer Teil des eigenen Avatars (von hinten) sichtbar, doch
auch hier ist die Steuerung des Avatars und seines Sichtfelds unmittelbar an die
Steuerung der Waffe gebunden. Eine Entkoppelung von Körper und Waffe wäre
technisch machbar, aber schlicht unpragmatisch. Denn in einem Großteil der
First- und Third-Person-Actionspiele ist ludisch-virtuelle Gewalt die zentrale In-
teraktionsform zwischen dem Avatar und seiner virtuellen Umwelt. Zwar können
Avatare, vor allem in sogenannten Open-World-Spielen, auch ihre Waffen weg-
stecken und über längere Strecken ohne die Ausübung von Gewalt durch ihre
virtuelle Umgebung bewegt werden (während sie beispielsweise mit virtuellen
Personen Dialoge führen oder etwas einkaufen). Doch sobald sie in eine direkte
virtuell-physische Interaktion mit Gegenständen, computergesteuerten Personen
oder von Menschen gesteuerten Gegnern treten möchten, ist Gewalt meist die
zentrale – oft die einzige – Option. Es ist nur konsequent, dass deshalb auch die
Steuerung des Avatarkörpers meist zwingend an die Steuerung der von ihm ge-
tragenen Waffen gekoppelt ist.
252 | Gunnar Lott: Herausragender Ego-Shooter von Valve. Half-Life 2 im Test. In: Game-
star.de (26.11.2004). http://www.gamestar.de/spiele/half-life-2/test/half_life_2,4325
1,1349950.html
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364