Page - 195 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Image of the Page - 195 -
Text of the Page - 195 -
VIRTUELL-KÖRPERLICH 193
Doch zurück zu TESO: Steigt ein Avatar schließlich eine Stufe auf, kann er
neue Punkte auf die Attribute Magicka [Aktionspotenzial für Zaubersprüche], Le-
ben [Lebensenergie] oder Ausdauer [Aktionspotenzial für Waffenangriffe] vertei-
len und zusätzlich sogenannte Skills, also spezielle Waffenfähigkeiten oder Zau-
ber, für seinen Avatar freischalten. Zugleich erwirbt er die Möglichkeit, eine dem
höheren Level entsprechende Waffe zu benutzen, die wiederum mehr Schadens-
punkte bei den Gegnern anrichtet. Erst wenn man sich auf diese Weise genug
Kampfkraft erworben hat, kann man mit seiner Heldin oder seinem Helden in
das nächste Gebiet des Landes Tamriel vorrücken und sein Abenteuer fortsetzen.
Das Aufrüsten und Weiterentwickeln des eigenen Avatars ist aber nicht nur Mittel
zum Zweck, sondern selbst ein vergnüglicher Prozess: „Sie ruhen nicht, bevor Ihr
Charakter die dickste Rüstung, das schärfste Schwert erbeutet hat“, kommentiert
ein Spieletester das bekannte World of Warcraft.271 „Also es macht richtig Spaß“,
merkt auch der TESO-Spieler Kwin im Interview an, „zu sehen, wie der Charakter
[Avatar, C.B.] größer wird, wie er mächtiger wird und sowas, oder überhaupt. Da
verbring ich auch gern mal 10 Stunden damit, ordentliches Material [mit dem
man beispielsweise neue Schwerter herstellen kann, C.B.] einzusammeln oder
sowas.“ (IV9) Für den Spieler MauMau steht dieser Prozess sogar im Mittelpunkt
des Vergnügens:
„Joa, ich finde vor allem, was am meisten Spaß macht, mir zumindestens halt, seinen
eigenen Charakter [Avatar, C.B.] aufzubauen, auch über lange Zeit hinweg, eigene Fähig-
keiten selber anzupassen und, ja, seine Ausrüstung zusammenzustellen, halt sich so nen
Charakter komplett aufzubauen. Also das macht mir immer am meisten Spaß.“ (IV23)
Dieser Prozess wird durch verschiedene Nuancen noch verdichtet. Immer mehr
Spiele enthalten zusätzlich ein sogenanntes Crafting-System, das den Spielern
erlaubt, verschiedene Bauteile zu sammeln und Waffen beziehungsweise Rüs-
tungen individuell herzustellen oder zu modifizieren. Im Fantasy-Rollenspiel
Skyrim kann man beispielsweise in Minenschächten Erz abbauen oder getöteten
Wölfen das Fell abziehen, um sich daraus in einer Schmiede Schwerter, Leder-
rüstungen und ähnliches nach individuellen Stilvorlagen herzustellen. Und auch
im Science-Fiction-Shooter Dead Space 3 lassen sich an Werkbänken ganz nach
individuellem Geschmack aus Weltraumschrott und sonstigen Fundstücken sehr
unterschiedliche Alientötungsmaschinen zusammenschrauben.
Letzteres demonstriert der Let’s Player Hardi in seiner LP-Reihe zu diesem
Spiel. Oft verweilt er für mehrere Minuten an einer Werkbank und bastelt an
seinen ganz persönlichen Lieblingswaffen. Nachdem er beispielsweise am Ende
einer Folge eine neue Waffe hergestellt hat, startet er die nächste mit den Worten:
271 | Michael Graf: Blizzards erstes Online-Rollenspiel auf dem Prüfstand. World of
Warcraft im Test. In: Gamestar.de (1.3.2005). http://www.gamestar.de/spiele/world-of
-warcraft/test/world_of_warcraft,33592,1953553.html
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364