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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL212
und ermöglichen veränderte Erfahrungen.25 Für die vorliegende Studie ist das
interessant, insofern hier der Prozess ludisch-virtueller Gewalt mit bestehenden
emotionalen Routinen und Konventionen verflochten wird, die in unserer Gesell-
schaft nicht nur akzeptiert sind, sondern denen ein hoher Stellenwert zugespro-
chen wird. Diese zirkulieren um das Machen emotionaler Erfahrungen im Zuge
eines permanenten Leistungsvergleich in der direkten, hier virtuell-körperlichen,
Konfrontation mit Gegnern.
Das Turnier
Als spät in der Nacht die Gruppenauslosung für das Counter-Strike-Turnier end-
lich durch war, mussten die Blackshades erst einmal schwer schlucken. In ihrer
Startgruppe waren gleich mehrere richtig starke Teams, und nur die besten zwei
würden es ins Achtelfinale schaffen. Das wird kein einfaches Ding, sagten sie. Ihr
fünfter Mann, der „Moral Support“, sprang sogleich in die Bresche und erfüllte
seine Funktion: „Nicht drüber Nachdenken, das macht ihr schon!“, feuerte er die
fünf Spieler an. (FT)
Um halb eins nachts startete das erste Match. Der Gegner gehörte zu den
leichten der Gruppe. Dennoch waren die fünf Jungs hörbar angespannt. Ei-
ner beschwerte sich mit Nachdruck über die zu niedrige Tischplatte. Er könne
sich hier nicht richtig einrichten, weil die Arme in einem zu steilen Winkel ge-
neigt seien, er die Hände dann schief halten müsse und deshalb an den Tasten
vorbeitippe.
Doch jetzt hatten die Spieler schlicht keine Zeit mehr, sich über die widrigen
Umstände zu beklagen. Die sogenannte Messerrunde eröffnete das Spiel. Hier
treten die insgesamt zehn Avatare nur mit Messern bewaffnet gegeneinander an,
um zu bestimmen, wer seine Startseite (entweder Terroristen oder Antiterror-
Einheiten) wählen darf. Die Blackshades stürmten nach vorn und Fox sprang mit
seinem elegant gestalteten Klappmesser mitten unter die Gegner – eigenhändig
erledigte er gleich vier von ihnen. „So sieht’s nämlich immer aus bei dem Jun-
gen! Biestig!“, brüllte er freudig durch die Halle in die vermutete Richtung seiner
Gegner, die irgendwo unter den hunderten anderen Gamern saßen. Mit „dem
Jungen“ meinte er sich selbst, und durch den Ausruf „Biestig!“ brachte er sei-
ne sich selbst unterstellte, ungestüme Kraft zum Ausdruck. Dann aber wurde er
wieder ruhiger und wies seine Mitspieler mit konzentrierter Stimme an, trotz der
offensichtlichen Unterlegenheit der Gegner „nicht zu arrogant“ zu werden. Man
solle sich nicht überlegen fühlen, sondern das Spiel konsequent durchziehen und
möglichst jede einzelne Runde gewinnen. (FT) Gesagt, getan: Das Match endete
16 zu 1 für die Blackshades.
25 | Zu einer Konzeptualisierung des Wechselverhältnisses von Persistenz und Rekom-
bination vgl. Klaus Schönberger: Persistenz und Rekombination. Digitale Kommunikation
und soziokultureller Wandel. In: Zeitschrift für Volkskunde 111 (2015), H. 2, S. 201-213.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364