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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL218
Sportspielen. Im Interview beschreibt der Spieler Kerby diesen Aspekt in Zusam-
menhang mit Online-Games: „[D]ieses Spieler-gegen-Spieler-mäßige, find ich, ist
so ein Competition-Ding, [...] dass man sich Selbstbestätigung holen muss, oder
halt holen möchte, dass man so sagt: Ich bin der bessere, ich habe dich jetzt grad
irgendwie platt gemacht oder so.“ (IV8)
In diesem Doppelsatz spiegelt sich die Spezifik dieser Art des Leistungsver-
gleichs in Kontrast zu einem Leistungsvergleich ohne direkte Konfrontation der
Gegenspieler durch Computerspielgewalt. Zugespitzt formuliert: Man ist nicht
nur besser als der Gegner, sondern man demonstriert seine Überlegenheit durch
eine Geste der physischen Dominanz – mit Kerbys Worten, indem man ihn „platt“
macht. Ganz ähnlich formuliert es Barry in Zusammenhang mit kompetitiven
Online-Games, als ich (gezielt suggestiv) anmerke, dass es beim Killen meines
Erachtens auch um das Dominieren von Gegnern gehe:
„Dominieren – ja, ich denk mal, ‚Dominieren‘ ist vielleicht das beste Wort, was man dazu
sagen kann. Weil es ist einfach, ich find einfach, es ist einfach ein Wettbewerb irgendwie,
dieses Konkurrenzdings. Man will einfach besser sein als der andere Spieler. Wenn man
jemanden getötet hat, dann hat man es ihm quasi gezeigt. Wenn er jetzt einen dreimal
tötet danach, dann ist man gefrustet. Man will ihm das quasi wieder heimzahlen. […] Man
will quasi so sagen: ‚Hier ey, das ist Glück gewesen. Ich bin besser als du!‘“ (IV1)
Eine Besonderheit des Umgangs mit ludisch-virtueller Gewalt ist demnach, dass
die in Kap. 3.1.5 bereits beschriebenen Erfahrungen von Dominanz und die eines
Leistungsvergleichs ineinandergreifen können. Der Kill ist einerseits Zeugnis der
eigenen Spielleistung, zugleich aber auch eine Praxis der sozialen Dominanz.33
Das Gleiche könnte man beispielsweise von einem Tor im Fußball sagen, doch
während die Interpretation des Tors als ein Akt der Dominanz eine komplexe
Begründung bedürfte, ist diese symbolische Funktion der virtuell-körperlichen
Vernichtung eines Gegners inhärent. Insofern der eigene Sieg in den meisten
Actiongames an die Repräsentation der körperlichen Vernichtung gebunden ist,
kann man hier gar nicht siegen, ohne dabei auf Ebene der computervermittelten
Repräsentation eine Geste der Dominanz zu vollführen.
Die Repräsentationen physischer Gewalt simulieren also zwangsläufig kör-
perliche Überlegenheit, die im Leistungsvergleich den eigenen Erfolg auf einer
zusätzlichen Ebene unterstreicht, wodurch sie das Potenzial für vergleichsweise
intensive Erfolgserlebnisse bieten. Diese emotionalen Erfahrungen sind wie so
33 | Damit grenze ich mich von Alexander Stolls Überlegungen zur Funktion von Com-
puterspielgewalt in kompetitiven Prozessen ab, der argumentiert, dass „die drastische,
körperbezogene Symbolik des Erschießens“ dazu dient, „um in der Wahrnehmung die
Eindeutigkeit und Glaubwürdigkeit der Entscheidung zu gewährleisten“, ansonsten von
den Spielern aber „nur noch funktionalisiert wahrgenommen“ wird und deshalb „gleicher-
maßen notwendig wie unproblematisch“ ist. Stoll: „Killerspiele“ oder E-Sport, S. 159.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364