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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 227
sich ebenfalls lebhaft daran erinnert. (IV23) „Yolo“ steht (auch abseits von Compu-
terspielkulturen) für „You only live once“ und meint hier, dass es sich um eine Art
Kamikaze-Angriff handelte. Tommy:
„Ja, es war eine Yolo-Aktion, aber es war doch schon ein bisschen durchdacht. [...] Durch
geschicktes Abstimmen der verschiedenen Fähigkeiten haben wir eine große Überzahl
besiegt. Also … ja. Und so ein überraschender Moment, wenn man den dann erst recht
mit Kumpels oder Freunden zusammen erlebt, das ist natürlich schön.“ (IV23)
Von solchen Aktionen, witzelt er später im Interview, „da werd ich irgendwann
mal meinen Enkeln noch von erzählen.“ (IV23) Wir lachen alle, aber tatsächlich
erscheint uns dieser Moment besonders erinnerungswürdig und bis heute ragt er
aus meinen Erfahrungen in TESO deutlich als etwas Besonderes heraus.
Auf der Suche nach solchen besonderen Erfahrungen schrauben sich TESO-
Spieler in immer höhere Schwierigkeitsstufen hinauf und suchen in immer
größeren Gruppen nach immer ausgefeilteren Herausforderungen, die sie ge-
meinsam bestehen können. Spätestens im sogenannten „Endgame“ müssen sich
Spieler im PvE-Modus beispielsweise zu größeren Gruppen von 12 Spielern (in
WoW teils bis zu 40 Spielern) zusammenschließen, um die stärksten Bosse in
weitläufigen Inis zu besiegen. (FT) Diese Gruppen setzen sich meist aus den Mit-
gliedern großer Gilden zusammen, die mehrere Dutzend Spieler umfassen. Da
hier durch den gemeinsamen Kampf auch besonders gutes Loot für die Betei-
ligten rausspringt, werden die regelmäßigen PvE-Raubzüge der Gilden „Raids“
genannt. Der Spieler Pirou ist „Gildenleiter“ und zugleich „Raidleiter“, der die
Besonderheiten der Gegner und die Stärken seiner Gilde genau kennt, um letztere
an mehrmals wöchentlich stattfindenden „Raid-Terminen“ durch die schweren
Inis zu führen. (FT) Hier müssen alle Zahnräder des Teams perfekt ineinan-
dergreifen, will man eine Chance gegen die computergesteuerten Gegner haben
– die Damage Dealer müssen ordentlich „DPS fahren“ (Schaden austeilen), die
Tanks müssen die „Aggro halten“ (den Schaden auf sich ziehen) und die Healer
ihre „Ultis“ (besondere Zauber oder Fähigkeiten) im richtigen Moment einsetzen.
Natürlich darf niemand sein „Buff-Food“ (zur Erhöhung der Attribute) vergessen
und die „Skill-Rota“ (Rotation der verschiedenen Avatarfähigkeiten im Kampf)
muss perfekt sitzen. (FT) Auch ich selbst war Teil einer regelmäßig stattfinden-
den Raid, die immer und immer wieder versuchte, eine schwere 12-Spieler-Ini zu
meistern – aller
dings bis zum Abschluss meiner Feldforschung ohne Erfolg. Auf
die Frage, was den Reiz an den regelmäßigen Raids ausmache, antwortet Alexo-
ton im Interview:
„Genau wie beim Fußballspielen. Die Leute treffen sich jede Woche, [da] treffen sich
22 Leute auf dem Platz und versuchen den Ball ins andere Tor zu kriegen (lacht leise).
Im Endeffekt hat man ja quasi ne Aufgabe, die man im großen Team – hier jetzt nur zu
zwölft, in WoW zum Beispiel zu vierzigst – bewältigen muss. Und die ist schwer, die ist an-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364