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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL244
der Professionalisierung aber auch die Grundlage für erweiterte kommunikative
Emotionspraktiken: Wir wuchsen zu einer emotional community heran, die sich
darauf verständigte, den Kampf im PvP ernst zu nehmen.
Diese auch auf LAN-Partys oder in anderen kompetitiven Computerspielkul-
turen häufig zu beobachtende Umkehr einer als spielerisch markierten Tätigkeit
in eine zunehmend als ernsthaft markierte Tätigkeit schafft neue Möglichkei-
ten für positiv gedeutete emotionale Erfahrungen in der gruppeninternen Inter-
aktion. Denn durch die Professionalisierung wird spielbezogenes Können und
Wissen besonders bedeutungsvoll, was Praktiken des Vermittelns von Wissen
und des Erlernens besonderer Fähigkeiten ein spezifisches Emotionspotenzial
verleiht. Mit zunehmender Professionalisierung beginnen die Spieler, sich auf
verschiedenen Webseiten über die Möglichkeiten des Spiels zu informieren, über
die Vor- und Nachteile besonderer Waffen, über die unzähligen Wege, ihr Team
zu unterstützen und sich einen Vorteil gegenüber den Gegnern zu verschaffen.
Noch wichtiger ist das im Spiel gesammelte, durch angelesenes Wissen nicht zu
ersetzende Erfahrungswissen.51 Julia beispielsweise ist eine sehr gute Heilerin.
Und ihr Können, so sagt sie im Interview, basiert auf Erfahrung: „‚Learning by
doing‘, tu ich. Also wenn ich irgendwie nicht weiterkomme, dann guck ich im
Internet: Was machen die anderen? Aber ich versuch’s dann doch eher für mich
selber zu optimieren: Was passt jetzt wie zusammen und wie mach ich das noch
besser und wie helfe ich der Gruppe besser?“ (IV7) Der PvP-Leiter Tarox schätzt
die Bedeutung des Erfahrungswissens so hoch ein, dass er seine Schüler gezielt
Fehler machen lässt, wie er im Interview erklärt:
„Also mein Motto ist immer, die müssen selber die Negativerfahrungen machen. Weil
wenn sie die nicht machen, dann werden sie auch nie wirklich kapieren: ‚Warum brauch
ich das, warum sagt er mir das überhaupt? Das klappt doch anders auch‘, denken die sich
dann. Deswegen lass ich die auch gerne mal, auch wenn das irgendwo ein bisschen aso-
zial ist, gerne mal ins Messer laufen, auch jetzt hier bei den Übungen und sowas.“ (IV13)
Haben Spieler dann aber erst einmal Erfahrungswissen angesammelt, werden
sie in größeren Gilden von weniger erfahrenen Spielern häufig um Rat gebeten,
beispielsweise dazu, wie am besten welche Skills einzusetzen oder welche Waffen
und Rüstungsteile am besten zu kombinieren sind. Da ich mich selbst immer
wieder in diese Gespräche einmischte, vor allem wenn es um Avatare meiner eige-
nen Klasse „Dragonknight“ (zauberfähige Ritter) ging, wurde mir eines Tages zu
51 | Zur Bedeutung von Erfahrungswissen für die kompetitiven Prozesse im Rahmen
von Counter-Strike Wettkämpfen vgl. Julian Meyer: Das Spiel hat seine eigenen Regeln.
Erwerb von Milieuwissen in einem Counter-Strike Profi-Clan. In: Martin Deschauer u.a.
(Hg.): projekt:wissen. Von Datenbergen, Informationsströmen und Wissensgenerierung.
Frankfurt a.M. 2009, S. 151-180; Stuart Reeves/Barry Brown/Eric Laurier: Experts at
Play. Understanding Skilled Expertise. In: Games and Culture 4 (2009), H. 3, S. 205-227.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364