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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL266
5.2 FEINDE MACHEN
In Multiplayer-Games sind die angebotenen Narrative, wenn sie überhaupt existie-
ren, meist Nebensache. Zwar lassen sich beispielsweise auch Spieler im MMOR-
PG The Elder Scrolls Online teils auf die Geschichte ihres Helden ein (vgl. auch
Kap. 5.1.1), aber das eigentlich nur dann, wenn sie gerade nicht gemeinsam mit
anderen Spielern unterwegs sind und sich nicht gemeinsam mit ihnen in einem
Sprachkanal aufhalten. Denn dort stellt der permanente Kommunikationsfluss
eine konstante Ablenkung von den Narrativen dar. Kompetitive Multiplayer-
Games wie Counter-Strike oder Battlefield 3+4 bieten dagegen erst gar keine ex-
pliziten Geschichten im Multiplayer-Modus an. Der Krieg verschiedener Parteien
dient hier eher als Hintergrundszenario für den virtuell-körperlichen Wettkampf.
Doch auch wenn die Narrative Nebensache sind, können in Multiplayer-Games
ganz ähnliche Bedeutungsmechanismen greifen, wie die im vorangegangenen
Kapitel beschriebenen. Das heißt, die Bedeutung der Widerfahrnis physischer
Gewalt als drastische Form der Ungerechtigkeit oder ihrer Ausübung als ebenso
drastische Form der Wiederherstellung von Gerechtigkeit wird von den Spielern
aufgegriffen und zur dramatischen Aufladung sozialer Aushandlungsprozesse
genutzt, um das Spielvergnügen zu bereichern.
5.2.1 Abneigung und Hass
Das wird nirgends so deutlich wie im Zombie-Survival-Game DayZ. Wenn Spie-
ler neu in DayZ starten, dann beschäftigen sie sich erst einmal lange Zeit damit,
das zum Überleben notwendige Loot zu sammeln und sich gegen die compu-
tergesteuerten Zombies zu verteidigen. Wenn sie dann nach langem Looten auf
andere Spieler treffen, setzt Aufregung ein: Denn das Leben ihres Avatars und
– wichtiger noch – das mühsam gesammelte Loot ist dadurch bedroht (vgl. auch
Kap. 3.3.2). Wenn in dieser Situation nicht einer der beiden Spieler oder Parteien
sofort das Feuer eröffnet, können sie die spielinterne Sprachchatfunktion oder
auch einen Textchat nutzen, um Spieler anzusprechen, die sich mit ihrem Avatar
im nahen Umfeld des eigenen Avatars aufhalten. So kann man sich mit zufäl-
lig getroffenen Spielern unterhalten und dadurch das weitere Vorgehen aushan-
deln. Wenn Spieler vorhaben, den Status quo der Gewaltfreiheit zu respektieren,
werden sie (meist auf Englisch) sagen, dass sie „friendly“ sind. (FT) Sind beide
Spieler friendly, können sie sich zusammentun, gegenseitig Loot tauschen oder
sogar gemeinsam weiterziehen, woraus sich (wie ich selbst erlebte) langanhalten-
de Freundschaften ergeben können. Die meisten Spieler kennen solche freundli-
chen Begegnungen. Allerdings machen sie alle früher oder später auch negative
Erfahrungen: Entweder sie werden von fremden Spielern sofort getötet oder die
anderen Spieler geben vor, friendly zu sein, nur um ihnen dann im richtigen Mo-
ment in den Rücken zu schießen und ihr Loot zu stehlen.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364