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DRAMATISCH UND DEVIANT 267
So sind auch die Spieler in DayZ regelmäßig der Widerfahrnis einer als un-
gerecht gedeuteten Gewalt ausgesetzt. Solche Momente sind in den Sprachkanä-
len von Spielergruppen beliebter Stoff für Konversationen sowie Ausgangspunkt
für die Artikulation von Wut, Empörung und Aufregung. Im Gruppeninterview
beschreibt der Spieler Kerby seinen Ärger über solche Vorfälle: „Also ärgerlich,
muss ich wirklich sagen, ist es, wenn man jemanden leben lässt oder man begeg-
net jemandem, kommt auf den ersten Moment gut miteinander aus, und er ist
dann doch einer, der dich, sobald du dich umdrehst, so feige [...] von hinten in den
Rücken schießt.“ (IV8) Sein Kumpel Milo ergänzt:
„Ja, solche Erlebnisse hatte ich auch schon! [...] Ich bin mal durch Elektro [eine Stadt,
C.B.] gelaufen und hab nen Typen getroffen [...]. Und er meinte dann die ganze Zeit so
[im spielinternen Sprachkanal, C.B.]: ‚Friendly, friendly, friendly!‘ [...] Und dann sind wir
zusammen in die Feuerwache reingegangen [...], wir saßen dann oben im Turm drin, ich
wollte mir einen kleinen Überblick verschaffen. [...] Und er saß dann irgendwie neben mir
und guckt sich auch ein bisschen mit um, und guckt dann nochmal mich an – also ich
hab das noch so im Augenwinkel gesehen – guckt mich an, guckt meine Waffe an, guckt
nochmal mich an und schlägt auf einmal mit der Axt zu, und das war’s. Und da ärgerst
du dich wirklich.“ (IV8)
Als besonders einschneidend werden solche Erlebnisse empfunden, wenn die
Gegner nicht aus Eigennutz (um das eigene Loot zu rauben), sondern aus purer
Bosheit zu handeln scheinen. Shadow erzählt im Interview beispielsweise, wie er
einen wertvollen Tarnanzug (Ghillie-Suit) gefunden hatte, allerdings noch keine
Waffe, um sich zu verteidigen:
„Vor zwei Wochen oder so war ich auf nem Server [...] und da hab ich mich halt so ein
bisschen ausgerüstet [...], war ich in Stangrad [eine Stadt, C.B.], geh in die Fire Station
[ein Spielern bekanntes Gebäude, C.B.] hoch, und dann hör ich im Direct Chat [spielin-
ternen Sprachkanal, C.B.]: ‚Ja, Ghillie, komm runter! [Er wird also an seinem Ghillie-Suit
erkannt und darauf angesprochen, C.B.] Ich hab dich gesehen, zieh deinen Ghillie aus!
Leg deine Waffe hin, zieh deinen Ghillie aus.‘“ (IV20)
Der unbekannte Gegner wollte also, dass Shadow ihm seinen wertvollen Tarnan-
zug überlässt. Allerdings konnte Shadow diesen gar nicht mehr ausziehen, da er
seine alte Avatarbekleidung weggeschmissen hatte und das Spiel keine nackten
Avatare erlaubt. Shadow fährt fort:
„Hab ich halt die Waffe runtergelegt, bin runtergegangen, hab ich gesagt: ‚Ja, ich kann
nichts machen, tut mir leid. Ich kann den Ghillie nicht ausziehen.‘ War unbewaffnet! Gar
nichts hatte ich! Und dann gibt mir dieser Wichser einen Headder [Headshot, C.B.]. Da
hat er gesagt: ‚Oh, das ist aber schade‘, und hat mir nen Headder reingedrückt. (Wü-
tend) Sooo unnötig! Der war richtig gut equipped [hatte gute Ausrüstung, C.B.], der hatte
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364