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DRAMATISCH UND DEVIANT 271
mit dem Typen. [...] Ich krieg echt schlechte Laune langsam.“46 Wieder verweist er
auf die Hinterhältigkeit von Ameisen: „Das Problem ist, ich seh den immer nicht
und der versteckt sich immer irgendwo hinten, wie die kleine Schwuchtel, die er
ist.“ Die anderen drei Let’s Player lachen etwas pikiert, aber herzlich. „Entschul-
digung“, wendet Gronkh (der tatsächlich sehr selten homophobe Sprüche äußert)
gleich ein, „das war jetzt nicht auf die Schwulen gemünzt oder so. Nein, ich hasse
den nur.“ Sarazar lacht. Gronkh: „Man darf ja auch mal jemanden hassen.“ Ihr
dritter Mitspieler kommentiert: „Emotion pur hier!“
Damit bringt er auf den Punkt, wozu die permanente Beleidigung des Geg-
ners Ameisen dient: nicht seiner Diffamierung zum Zwecke der Einschüchte-
rung (Ameisen kann Gronkh gar nicht hören), sondern der Artikulation einer als
extrem empfundenen emotionalen Haltung gegenüber dem verfeindeten Spieler,
die als solche positiv gedeutet wird. Gerade weil die Feindschaft „Emotion pur“
(s.o.) mobilisiert, können die Freunde und auch Gronkh (der immer wieder fröh-
lich lacht) sich an dessen Wut und Ärger erfreuen. Essentiell dafür ist die Spezifik
des Spielens als eine Praxis des Changierens zwischen Ernst und Unernst (vgl.
Kap. 2.2.4). Die Bedeutungspotenziale der Widerfahrnis virtueller Gewalt als
eine drastische Form der Ungerechtigkeit werden von Gronkh einerseits für voll
genommen, doch zugleich bleibt das Sich-Einlassen spielerisch und ermöglicht,
die Erfahrung wegen ihrer schieren emotionalen Intensität positiv zu deuten.
Den gleichen Eindruck gewinnt man auch in anderen Multiplayer-Games.
Wenn Tommy und MauMau beispielsweise davon sprechen, dass sie in TESO die
Gelben hassen (s.o.), dann kann man dabei förmlich ihr süffisantes Grinsen hö-
ren. Und auch die oben genannten Beschimpfungen in Multiplayer-Games haben
meist entweder einen freundlichen Klang, oder sie werden, wenn sich ein Spieler
besonders ernsthaft empört, von anderen Spielern mit einem amüsierten Lachen
quittiert. Manchmal spiegelt sich das auch im Textchat, wie beispielsweise in
diesem Dialog zwischen zwei verfeindeten Gruppen auf einem DayZ-Server (die
Schrägstriche markieren Absatzumbrüche im Chat):
Spieler 1: „[Spieler 2] du bist auch tot du hast mich gekillt wirst nie wieder froh auf dem
server.“
Spieler 2: „viel fun/freu mich drauf“
Spieler 3 [unbeteiligt]: „xD [grinsender Smiley, C.B.]/hahahaha/will auch“
Spieler 2: „morddrohungen/morddrohungen fuer alle/ist ja wie weihnachten bei oprah
[Verweis auf emotionsgeladene US-Talkshow, C.B.]“ (FT)
Auch hier verdeutlichen die Spieler, dass eine spielerische Feindschaft als solche
Vergnügen bereiten kann, insofern sie ein dramatisch aufgeladenes, intensives
Fühlen gegenüber den anderen Spielern erlaubt. Genau deshalb „braucht“, wie
46 | Ebd., 25:40-26:30. https://www.youtube.com/embed/D-4TxpIAFGo?start=1540&e
nd=1590
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364