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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL288
wird von vielen Rezipierenden als lustig empfunden, wobei die im Mittelpunkt
stehende Inkongruenz eine andere ist. Die Erwartungshaltung an physikalische
(beziehungsweise körperliche) Bewegungsabläufe bricht sich hier an deren über-
triebener Repräsentation und unerwarteten Ausgestaltung: Die slapstickhaften
Kämpfe etwa eines Chackie Chan sind deshalb lustig, weil sie die physikalischen
Grenzen der Realität zu ignorieren scheinen oder zumindest unerwartete und
übertriebene Bewegungsabläufe vollziehen.72 Dieses Moment der unerwarteten
und übertriebenen Bewegung verflechtet sich in Computerspielen mit der Über-
schreitung von Gefühlsregeln und beides verbindet sich zu einer für Let’s Player
genau wie ZuschauerInnen besonders vergnüglichen Erfahrung.
Amoklauf
Die bisher besprochenen Arten der Ausübung von Computerspielgewalt gegen
Unschuldige finden quasi nebenbei statt. Unter Spielern ist die GTA-Reihe aber
auch bekannt dafür, dass man nach Lust und Laune gezielte Amokläufe mit
Schusswaffen durchführen kann, was natürlich auch in den verschiedenen LP-
Reihen nicht fehlen darf. Im Normalfall beginnt man durch das Schießen auf
Unbeteiligte oder In-die-Luft-Sprengen von Fahrzeugen, was sogleich die Polizei
auf den Plan ruft. Je nach Anzahl der Toten erhält man ein Fahndungslevel, das
entweder nur einzelne Polizisten oder auch Sondereinsatzkommandos mit Hub-
schraubern auf den Plan rufen kann. Mit denen liefert man sich dann eine Verfol-
gungsjagd oder kämpft weiter gegen die unendliche Anzahl an Gegnern, was im
Regelfall mit dem Tod des eigenen Avatars endet. Der fällt in GTA aber harmlos
aus: Man wacht einfach vor dem Krankenhaus wieder auf, bekommt etwas vir-
tuelles Geld zur Strafe abgezogen und auch die Polizei hat die eigenen Untaten
wieder vergessen.
Gronkh startet einen solchen Amoklauf in einer LP-Folge, die er mit dem Ana-
gramm „Koma faul“ betitelt und in der sein Nebensitzer Sarazar ausnahmswei-
se einmal nicht während der Aufnahme anwesend ist (empfohlenes Beispiel).73
Mit seinem Avatar Franklin sieht Gronkh sich anfangs friedlich das Treiben vor
einem großen Kino an. Dann entfernt er sich von der Gruppe computergesteu-
erter Menschen und beginnt unschuldig zu pfeifen. „Ich freu mich einfach, wie
viel hier los ist grade“, kommentiert er mit betont unverdächtiger Stimme, wählt
dabei aber bereits eine Handgranate in seinem Waffeninventar aus. Unschuldig
pfeifend geht er mit der gezückten Granate weiter und schon jetzt muss er kurz
schelmisch lachen. Aus Versehen lässt er die Granate dann aber fallen, anstatt sie
in die Menge zu werfen. Die herumstehenden computergesteuerten Menschen
geraten trotzdem in Panik und beginnen davonzurennen. Gronkh zückt kurzer-
72 | Vgl. dazu auch Mikos: „Kann Gewalt denn lustig sein?“, S. 15.
73 | Gronkh: GTA V (GTA 5) [HD+] #049 - Anagramm: Komafaul * Let’s Play GTA 5 (GTA V)
(3.11.2013), 0:40-2:20. https://www.youtube.com/embed/tZr_lRXdCJI?start=40&end=
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Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364