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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL298
rechtzeitig üben zu können“, empört sich Andersen, „gibt es sogar eine Version
für Kinder!“3 Der Autor empfindet das als so „ungeheuerlich“, dass er sich fragend
an die deutsche Vertriebsfirma wendet: „Wo ist die freiwillige Selbstkontrolle?
Muss man jeden makabren Scherz mitmachen, der anderswo [vermutlich in den
USA, wo das Spiel entwickelt wurde, C.B.] verzapft wird? Befindet sich vielleicht
bereits ein Trainingsprogramm für Terroristen in der Schublade?“4
Auch der Tester des Panzerspiels Battlezone, der erste Shooter aus der Ego-
Perspektive eines Panzers überhaupt, urteilt: „Hier hört der Spaß auf!“, denn:
„Battlezone ist kein Spiel in der Bedeutung dessen, was man schlechterdings unter ‚Spiel‘
als Definition versteht. Spaß kommt nicht auf. Dieses ‚Spiel‘ [...] ist eine paramilitärische
Ausbildung. Kinder sollen offenbar frühzeitig erkennen, was es heißt, sich in einem in Teil-
bereichen echt simulierten Krieg zu befinden. Und wie ist das doch schön! Sogar Punkte
kann man dabei erzielen!“5
Doch es sind nicht nur die vermeintlich realistischen Kriminal- oder Kriegsszena-
rien, die zum Ausgangspunkt der Empörung werden. Auch eine Videospielum-
setzung von Robin Hood kommt alles andere als gut weg. Hier müsse man, so die
Spielanleitung, „speerwerfende Knechte ‚erledigen‘, und einen Burgtor-Wächter
‚unschädlich machen‘, Leute ‚abschießen‘, sechs Knechte ‚erschlagen‘“, und so
weiter.6 Auch darin sieht der Autor Helge Andersen eine Gefahr für die Kinder:
„[D]a diese noch keine militärische Ausbildung erhalten können, lässt man sie
zunächst einmal videomäßig Krieg spielen, genauer: morden.“7
Angeklagt wird hier die Vermittlung devianter Gefühlsregeln an Kinder, inso-
fern diesen das virtuelle Abschießen von Repräsentationen menschlicher Körper
als erstrebenswert vermittelt wird. Diese Diskurse sind natürlich nicht neu und
haben sich in ähnlicher Form rund um die sogenannten Schundkämpfe in Be-
zug auf ältere Unterhaltungsmedien entwickelt.8 Im Folgenden soll es auch kei-
nesfalls um die Frage nach den hier angesprochenen Medienwirkungen gehen,
sondern festgehalten werden, dass aufgrund der entsprechenden Sorgen Com-
puterspielgewalt unter bestimmten Bedingungen negativ gedeutet wurde – und
3 | Ebd.
4 | Ebd.
5 | O.A.: Battlezone: Hier hört der Spaß auf! In: Telematch (1983), H. 12, S. 27. http://
www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1983-07_seite26
6 | Helge Andersen: Robin Hood. Mordgesellen wie du und ich. In: Telematch 1984, H. 2,
S. 32-33, hier: S. 33. http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1984-02_seite32
7 | Ebd.
8 | Vgl. für einen Überblick Kaspar Maase: Der Schundkampf-Ritus. Anmerkungen zur
Auseinandersetzung mit Mediengewalt in Deutschland. In: Rolf W. Brednich/Walter Har-
tinger (Hg.): Gewalt in der Kultur. Vorträge des 29. Deutschen Volkskundekongresses.
Band 2. Passau 1994, S. 511-524.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364