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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL312
muss ich sagen, ist wirklich fragwürdig. Allerdings hab ich dann auch darüber
nachgedacht und mir gedacht: Mensch du rennst hier auch rum, ballerst einfach
Leute ab, ist eigentlich auch nicht viel unkrasser.“ Gronkh denkt dagegen laut
über tatsächliche Folter nach: „Ja und vor allen Dingen, ganz ehrlich, so ne Folter
gibt’s ja nunmal wirklich.“ Sarazar: „Ja, ist auch so, ist auch so. Das ist vielleicht
krass, das in ein Spiel einzubauen, aber dann müsste man sich auch die Frage
stellen: ‚Ist es nicht krass, überhaupt Leute im Spiel zu töten?‘ Und dann fängt die
Geschichte wieder von vorne an.“ Gronkh: „Und nicht nur Leute im Spiel zu tö-
ten, sondern auch sowas wie Guantanamo und so, man hört’s auch immer in den
Nachrichten und kann’s irgendwann nicht mehr hören und schaltet einfach um,
so: ‚Ach ja, kenn ich schon.‘ Und hier, naja man erlebt’s halt schonmal, nicht haut-
nah mit, aber schon so ...“ Sarazar: „Ja vielleicht, vielleicht gar nicht so schlecht
die Mission, um Leuten das mal zu zeigen, wie sowas eigentlich is.“ Gronkh: „Ja
also ich, man kann seine Denkweise auch mal umändern, sag ich mal. Das war
schon sehr krass, alter Schwede.“
Deutlich wird hier, dass ambivalente Erfahrungen durch bestimmte narrative
Rahmungen ein selbstreflexives Nachdenken über ludisch-virtuelle Gewalt und
darüber hinaus tatsächliche physische Gewalt anregen können.40 Das zeigt sich
auch in den über 3000 Kommentaren zu dieser ca. 400.000 Mal angeklickten
LP-Folge. Sarazar fragt während des Videos die ZuschauerInnen, ob sie so eine
Spielsequenz okay finden oder nicht. Während sich ein Teil der ZuschauerInnen
schockiert zeigt und klar urteilt, dass die EntwicklerInnen hier zu weit gegan-
gen sind – einige berichten sogar, ihr eigenes GTA5-Spiel hier beendet und den
Haupthandlungsstrang nicht mehr weiterverfolgt zu haben –, heben andere den
Aspekt der emotional vermittelten Gesellschaftskritik hervor. Zu letzterem eine
Auswahl:
„Die Folterszene finde ich schon hart. Aber ich glaube nicht, dass sie zu einer Abstump-
fung führt, wie die Medien oft behaupten. Ich wage mal das Gegenteil zu behaupten; dass
es zu einer kleinen Sentimentalisierung gegen Folter führt. Wenn der Spieler Ekelgefühle
dabei hat, oder sogar ‚echten‘ Schmerz empfindet, dann kann doch daraus nicht der
Wunsch nach Gewallt entstehen? Und dann hätte Rockstar [die Entwicklungsfirma, C.B.]
in diesem Sinne auch voll in Schwarze getroffen.“
„Ist ein mega geiles spiel aber ihr [andere ZuschauerInnen, die sich über die Sequenz be-
schweren, C.B.] wisst dass das spiel ab 18 ist und solltet nicht rum motzen nur deswegen.
Die szene ist zwar brutal aber es zeigt einem auch dass das foltern krank ( und trevor
auch) ist und wenn ihr dass so mega schrecklich findet dann guckt es euch nicht an. Ich
40 | Vgl. zu diesem Aspekt auch Kirsten Pohl: Ethical Reflection and Emotional Involve-
ment in Computer Games. In: Stephan Günzel/Michael Liebe/Dieter Mersch (Hg.): Con-
ference Proceedings of the Philosophy of Computer Games 2008. Potsdam 2008, S.
92-107.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364