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125Das
Nationale Zeitalter
1920 für ein Votum zugunsten des SHS-Staates warb.337 Nach der Volksabstimmung
verließen über 40 Priester die Diözese Gurk, großteils in Richtung Slowenien. In
manchen Fällen legte man den Auswandernden vonseiten der Diözese keine Hin-
dernisse in den Weg – »auch das Ordinariat musste in einigen Fällen den Wünschen
der Bevölkerung Rechnung tragen«338 –, grundsätzlich bemühte man sich aber, die
sich zur Auswanderung gezwungen fühlenden Priester im Land zu halten.339 Fortan
mussten Geistliche aus den Abstimmungsgebieten eine Loyalitätserklärung unter-
fertigen, wenn sie einen neuen Posten bekamen.340
3.3.4 Die katholische Kirche in der Ersten Republik
Mit dem Untergang der Monarchie war zwar auch das Staatskirchentum offiziell zu
Ende gegangen, die Auseinandersetzungen der Kulturkampfzeit hatten die Kirche
aber längst an den rauen Wind der gesellschaftlichen Polarisierung, der ihr von
nun an noch stärker entgegen blasen sollte, gewöhnt. Auch rein rechtlich gesehen
war der Einschnitt kein allzu großer, hatte man sich vonseiten des Staates doch be-
reit erklärt, weiterhin für Priestergehälter und Ähnliches aufzukommen. Sehr wohl
geändert hatten sich aber die Rahmenbedingungen : An die Stelle einer »passiven
Integration im Staat«341 war die aktive Parteinahme für ein bestimmtes politisches
Lager getreten.
So waren die Jahre der Ersten Republik geprägt von der Suche nach der rech-
ten Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat zueinander. 1926 verabschiedete
die Christlichsoziale Partei unter Seipel ein Parteiprogramm, das »Grundsätze des
Christentums zur Richtschnur« machte sowie »das Zusammenwirken von Kirche
und Staat und deren gegenseitige Förderung« propagierte.342 Die Fähigkeit der ös-
terreichischen Kirche, sich dabei den gegebenen politischen Herrschaftsverhältnis-
sen anzupassen, zeigte sich bereits unmittelbar nach dem Ende der Monarchie. War
man bislang loyal zum Hause Habsburg und zur Monarchie, war man es nun zum
neuen Staat (Deutsch-)Österreich und zur neuen Staatsform der Republik.343
Diese zumindest im klerikalen Kreis vertretene »Wientreue« brachte in Kärnten
allerdings auch starken politischen Gegenwind und Anfeindungen mit sich, galt man
337 Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 53 ; dazu auch Rumpler, H.: Die nationale Frage (2005),
15.
338 Ogris, A.: Kärnten 1918–1920 (2011), 143.
339 Ebd, 143 f..
340 Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 53.
341 Fräss-Ehrfeld-Kromer, C.: Adam Hefter (1974), 139.
342 Burz, U.: Die nationalsozialistische Bewegung (1998), 45.
343 Fräss-Ehrfeld-Kromer, C.: Adam Hefter (1974), 139 f.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353