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Kirche und Habitusentwicklung in
Kärnten92
2.4.1 Zur Rolle der Jesuiten
In diesem Zusammenhang ist die Rolle des Jesuitenordens hervorzuheben. Karl II.
hatte bereits 1572 die Jesuiten nach Graz geholt und sollte ihrem Kollegium 1585
eine Universität anschließen.162 Die Struktur und Organisationsform des Jesuiten-
ordens wurde als gewaltige Neuerung empfunden und galt auch innerhalb der ka-
tholischen Kirche vielen als zu progressiv. Der am Elitegedanken orientierte Orden
war, als Antwort auf die reformatorische Kritik an den Zuständen in Ordens- und
Weltklerus, an der Qualifikation seiner Mitglieder interessiert, die sowohl eine
anspruchsvolle Ausbildung als auch eine permanente Bewährung im Ordensstand
meistern mussten.163
Der Beitrag der Jesuiten an der Konfessionalisierung in Innerösterreich war ein
wesentlicher, wenngleich sie in Kärnten erst spät aktiv wurden.164 Nach ihrem Ein-
zug in Klagenfurt wurde ihnen 1604 das Bürgerspital und die Dreifaltigkeitskirche
(der heutige Dom) übertragen, daneben auch das Chorherrenstift Eberndorf. 1598
war die Herrschaft Millstatt vom Georgsritterorden an den Jesuitenorden überge-
gangen.165 In Klagenfurt errichteten die Jesuiten ein Kolleg und ein Gymnasium, um
für die Söhne der gesellschaftlichen Eliten eine katholische Bildung zu gewährleis-
ten.166 Zugleich versuchte man auch, den Kontakt der Bevölkerung mit der lutheri-
schen Lehre zu unterbinden, indem man das Studieren im Ausland verbot.167
Die Jesuiten waren einer der ersten Orden, die neben der Bedeutung von Wort-
und Bildpropaganda auch die Liedpropaganda und -katechese förderten. Überhaupt
bedienten sich die Missionare, die nicht selten aus dem südeuropäischen Raum
stammten, deutlich lebendigerer Formen und zum Teil aktionistischer Einlagen bei
ihren Predigten im Kontext der Volksmission. Drastische Ausdrucksformen und
Selbstgeißelung sind ebenso belegt wie die Verwendung von Totenköpfen als Re-
quisiten.168
162 Fräss-Ehrfeld, C.: Die ständische Epoche (1994), 405–408.
163 Reinhard, W.: Gegenreformation (1977), 239 f.
164 Für die Rolle der Jesuiten in Innerösterreich Heiß, G.: Jesuiten (1994), 71.
165 Damit teilte sich die jesuitische Präsenz in Kärnten in einen westlichen (Millstatt, unterstellt dem
Grazer Kolleg) und einen östlichen Zuständigkeitsbereich (Eberndorf). Der Millstätter Distrikt hatte
vor allem ökonomische Funktion, der Eberndorfer seelsorgliche. Hier war man auch für das protes-
tantische Klagenfurt zuständig. Tropper, P. G.: Staatliche Kirchenpolitik (1989), 202 f.
166 Frankl, K. H.: Konfessionalisierung (2000), 232.
167 Höfer, R. K.: Gegenreformatorische Maßnahmen (2011), 216.
168 Grabner, E.: Heilsverkündigung (2007), 112–114. An die Tätigkeit christlicher Missionare erinnert
in manchen Kirchen des Ostalpenraums heute noch das sogenannte »Petrinerkreuz«, eine plastische
Darstellung einer aus der Kanzel ragenden Hand, die ein Kruzifix hält. Es symbolisiert damit die
Missionare, die ebenfalls mit dem Kreuz in der Hand ihre Mission vollzogen. Ebd., 112.
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353